Dienstag, 22. Dezember 2009

Bassekou Kouyate & Ngoni Ba - I Speak Fula

Am Ende hat es dann doch noch geklappt. Die positive Resonanz für dieses Album konnte ich zunächst nicht nachvollziehen, was mir mittlerweile auch schon wieder unbegreiflich ist. Man muss manchmal nur bestimmte Erwartungshaltungen über Bord werfen und und sich einem Werk von einer ganz anderen Seite nähern. Was I Speak Fula vom Debüt unterscheidet ist, dass die Ngoni hier noch stärker als Soloinstrument in der Vordergrund rückt. Rock'n'Roll artige Soli und ausgedehnte Jams sind keine Seltenheit, wie man z.B. in Musow, einen Lobgesang an die Frauen, nachhören kann. Und zu allem Überfluss ist das Stück auch noch mit einem eingängigen und unwiderstehlichen Refrain ausgestattet. Was zudem beeindruckt ist, wie über galoppierenden Rhythmen ein Solo auf der Ngoni nach dem anderen gespielt wird. Rock'n'Roll from outer space!
Im Kern handelt es sich hier um ein Ngoni Quartett, verstärkt durch Percussion und dem Gesang von Amy Sacko, der Frau Kouyates. Jahrhunderte lang war die Ngoni lediglich ein ausschließlich von Männern gespieltes Begleitinstrument. Erst Bassekou Kouyate rückte es vor mehr als 20 Jahren in den Mittelpunkt, indem er es wagte, auf dem Instrument ein Solo zu spielen wie es sonst nur Gitarristen tun. Auch von der Tatsache, dass die Ngoni traditionell nur von Männern gespielt werden darf, hält Kouyate nichts und lässt seine Tochter schon fleißig auf dem Instrument üben, wie er unlängst in einem Interview erzählte.
Bevor Kouyate 2007 sein erstes internationales Album Segu Blue veröffentlichte, arbeitet er u.a. mit seinen Landsmännern Habib Koite, den er 1989 auf dessen Europatournee begleitete, und Toumani Diabate zusammen. Aber auch mit dem Amerikaner Taj Mahal hat er schon gespielt.
Was I Speak Fula auszeichnet, ist die Verschmelzung von Melodik und Rhythmik, was gerade ein Stück wie das eingangs erwähnte Musow zunächst einmal sehr kantig erscheinen lässt, dessen schnörkellose aber energiegeladene Verspieltheit jedoch zunehmend begeistert und niemals in belangloses Gedüdel ausartet. Unterstützt wird der Ngoni-Vierer von einer Reihe von Gästen, darunter Toumani Diabate, Kasse Mady Diabate und Vieux Farka Toure, der mit seiner E-Gitarre den Bambugu Blues veredelt. Dass das Stück das Wort Blues im Titel trägt, ist wohl durchaus augenzwinkernd gemeint, denn eigentlich mag es Bassekou Kouyate nicht, wenn seine Musik als Blues bezeichnet wird, was durchaus nachvollziehbar ist, denn im Programm seiner Band befinden sich schließlich auch Stücke, die schon mehrere Jahrhunderte alt sind, also schon lange vor dem Begriff Blues existiert haben und somit dessen Wurzeln in Mali, oder genauer in der Region Segu, zu finden sind. Wie dem auch sei, wenn sich einem I Speak Fula erst einmal erschlossen hat, wird man auch das Einzigartige und Originäre dieser Musik erkennen. Phänomenal ist sie allemal.
Musikalisch ist Bassekou Kouyate schon wieder einen Schritt weiter, träumt gar von einer Ngoni Sinfonie. Allerdings investiert er auch einen Teil seines Verdienstes in Schulen, in denen Schüler das Spielen der Ngoni und auch den Bau des Instrumentes erlernen. Seit er international erfolgreich ist, wollen die Nachkommen der Griots wieder verstärkt das aus der Mode gekommene Instrument erlernen. Gut so, denn wie Kouyate selbst sagt: "Die Ngoni muss bleiben!"

(Out|Here / 2009)

Freitag, 11. Dezember 2009

Group Bombino - Guitars From Agadez, Vol. 2

Sublime Frequencies, ein kleines Label aus Seattle, beschäftigt sich in erster Linie mit Feldaufnahmen aus aller Welt. Mit der Reihe Guitars From Agadez tauchte man vor mehr als einem Jahr in die "Musikszene" rund um Agadez ein. Agadez ist sowohl eine Stadt als auch eine Region im Norden Nigers, einem der weltweit größten Uranabbaugebiete. Traditionell ist Agadez aber eine von Tuareg gegründete Stadt, jedoch werden die Tuareg am Gewinn des Uranabbaus kaum beteiligt, was zu Konflikten und Bürgerkrieg führte. Agadez ist heute von der Außenwelt nahezu abgeschnitten, obwohl die Stadt in der Vergangenheit auch ein beliebtes Ziel für Sahara Touristen war. Die Tuareg gründete wiederum die MNJ, die "Nigrische Bewegung für Gerechtigkeit", die sich für deren Gleichberechtigung im Niger einsetzt.
Seit 2008 ist die Tuareg Revolution also wieder in vollem Gange, und den Soundtrack dazu liefert Guitars From Agadez. Der 2. Teil beschäftigt sich also mit Group Bombino, einer Band um den Sänger, Gitarristen und Songschreiber Omara "Bombino" Mochtar, der zwischenzeitlich wieder ins Exil flüchten musste und über dessen Verbleib derzeit nichts bekannt ist. Die Aufnahmen des Albums stammen aus seinem Archiv und setzen sich aus akustischen und elektrischen Tracks zusammen. Damit die Aufnahmen den Hörer möglichst ungefiltert erreichen, wurden sie im Studio nicht überarbeitet und somit ist die Klangqualität recht unterschiedlich. Die Musik handelt von Hoffnung, Gerechtigkeit und die Anerkennung der Lebensweise der Tuareg. Das Album beginnt mit 4 aksutischen Stücken, bei denen man im Hintergrund auch schon mal das Vieh hören kann, die aber zeigen, dass Bombino ein ausgezeichneter Songschreiber ist, der auch durchaus ein Händchen für eingängige Melodien hat. Musikalisch ist das weniger blueslastig als z.B. Tinariwen. Der 2. und elektrische Teil des Albums erinnert mit seinem Scheppern und Krachen mehr an Garagenrock als an Wüstenblues, was sicher auch daran liegen mag, dass im Gegensatz zu vielen anderen Tuareggruppen ein Schlagzeug zum Einsatz kommt. Dabei sollte man noch erwähnen, dass die "Musikszene" in Agadez sehr arm ist und die meisten Musiker sich keine eigenen Instrumente oder Verstärker leisten können, bwz. sich mehrere Gruppen das Equipment teilen. Für unsere Ohren erstaunlich, dass diese Bands auch bei Hochzeiten auftreten und zwar gerne auch in der elektischen Version. Aber eigentlich sollte das für uns mir unseren durch Alleinunterhalter malträtierten Ohren doch eine eher erfrischende Vorstellung sein.
Für audiophile Ohren ist dieses Album, das auch auf Vinyl vorliegt, sicher keine Empfehlung. Dennoch ist das Album weit mehr als nur eine obskure Aufnahme aus der Wüste. Vielmehr zeichnet sich Bombino durch eine außerordentliche Musikalität aus und zeigt, dass man auch mit bescheidenen Mitteln großartige Musik einspielen kann. Bleibt einerseits zu hoffen, dass die Guitars From Agadez Reihe noch einige Fortsetzungen finden wird und dass sich andererseits der Einsatz für bessere Lebensbedingungen am Ende auch lohnt.

(Sublime Frequencies / 2009)

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Asa - Live in Paris

Natürlich könnte man sich jetzt fragen, wie sinnvoll es ist, nach nur einem Album schon ein Livealbum zu veröffentlichen. Aber letztendlich ist es die logische Konsequenz zum Überraschungserfolg aus dem Jahr 2008. Ihrem mit Doppelgold und dem Prix Constantin prämierten Debütalbum folgte eine ausgebuchte und 100 Auftritte umfassende Welttournee, während der sie an 2 aufeinanderfolgenden Abenden im September 2008 in Paris auftrat. Teile dieser Shows finden sich nun auf diesem CD/DVD Package.
Sinn und Zweck dieser Kombination erschließt sich mir jedoch nicht so ganz, zumal die DVD hier nur als Bonus gekennzeichnet ist. Die Zusammenstellung auf der CD ist mehr als eigenartig. Die Pausen zwischen den Stücken sind sehr kurz, an die Reihenfolge im Konzert hat man sich nicht gehalten und z .T. wurden die Stücke ohne Not gekürzt bzw. einfach ausgeblendet. Musikalisch gibt es allerdings nichts zu meckern. Asa verfügt über eine gut eingespielte und dynamisch agierende Band, die es versteht, sich in den richtigen Momenten zurückzunehmen um dann wieder Fahrt aufzunehmen. Einige Stücke wurden auch leicht umarrangiert, wie z.B. das wunderbare Awé. 9 Stücke des Debüts sind hier vertreten, einzig Peace wurde ausgelassen. Ob sie es an jenen Abenden tatsächlich nicht gespielt hat, ist mir allerdings nicht bekannt. Neben den bekannten Stücken gibt es auch eine großartige Coverversion von Nina Simones Feeling Good sowie das neue Stück Iya, bei dem sie an einem der Abende von Keziah Jones unterstützt wurde.
An der DVD, die mit 70 Minuten sogar länger ist als die CD, gibt es nichts auszusetzen, außer dass sie zu kurz geraten ist. Im Gegensatz zur CD hat man sich hier an die Reihenfolge gehalten und die Ansagen nicht herausgeschnitten, was auch für die Drum und Percussion Soli bei So Beautiful gilt. Beim hervorragenden und nur mit akustischen Gitarren untermalten Iya wird sie hier von Yaël Naïm und Mayra Andrade unterstützt. Die andere Version mit Keziah Jones gibt es neben dessen Kpyfuca im Bonusteil der DVD.
Warum man nicht auf die CD verzichtet und sich ausschließlich auf die DVD konzentriert hat, ist nur schwer nachvollziehbar. Im Grunde ist die CD überflüssig, wäre darauf nicht Feeling Good enthalten, dass auf der DVD schmerzlich vermisst wird. Das selbe gilt für die Stücke No one knows und Eye adaba, von denen ersteres am Ende auch einfach ausgeblendet wurde. Eine lohnende Anschaffung ist dieses Album natürlich dennoch, da die Songs hier zum großen Teil deutlich druckvoller daherkommen und auch der Sound insgesamt sehr gut ist.

Mittwoch, 25. November 2009

Rachid Taha - Bonjour

Rachid Taha beschreitet neue Wege. Beinahe 3 Dekanden dauert sein musikalische Karriere nun an, zunächst in den 80er Jahren mit der Band Carte De Sejour, ab 1991 dann als Solist. Schon das kunterbunte Artwork zeigt Taha von einer völlig neuen Seite. Die Wut und das Rebellische vergangener Alben scheint wie weggeblasen und ein Blick auf die Rückseite zeigt auch schon die erste große Änderung: Steve Hillage, sein langjähriger Begleiter, Co-Autor und Produzent wirkt nur noch bei einem einzigen Stück mit. Den Platz des Co-Autors übernimmt der junge französische Musiker Gaetan Roussel, der beim Titelstück auch die zweite Stimme übernommen hat. Es ist wohl auch Roussel zu verdanken, dass das Album mehr in Richutng Folk und Chanson geht als dies bislang der Fall war, wenngleich das Orientalische, das Maghrebinische natürlich nach wie vor allgegenwärig ist. Nur klingt dieses mal alles leichter und eingängiger ja geradezu poppiger. "Schuld" daran dürfte in erster Linie die Fotografin Barbara D'Alessandri sein, in der Taha seine große Liebe gefunden hat, und die die Wut und die Verzweflung der Vergangneheit in so etwas wie Hoffnung verwandelt zu haben scheint. Einen Brecher wie Barra Barra sucht man auf Bonjour vergeblich und auch traditinelle, Rai-geprägte Stücke wie auf den beiden Diwân Alben sind hier nicht zu finden. Bonjour gilt als sein amerikanisches Album, was nicht weiter verwundert, denn die Liebe zur US-amerikanische Kultur ist kein Geheimnis und dennoch klingt das Album weit weniger amerikanisch, als man das nun erwarten würde. Selbst beim Titelstück, das als eine Art orientalischer Countrysong beschrieben wird, überwiegt eben doch mehr das Orientalische. Ila Iiqa erinnert mich von der Atmosphäre her sogar ein bisschen an eine arabische Version von Radiohead und It's An Arabian Song, bei dem er von Bruno Maman mit Oud und Stimme unterstützt wird, lässt augenzwinkernd die 80er Jahre aufleben, nicht nur wegen der Anspielung an PIL. Auch in den Texten geht es auf Bonjour oft um die Liebe. Am schönsten geschieht dies im Stück Ha Baby, ein unwiderstehlicher Popsong bei dem sich einmal mehr County mit nordafrikansicher Chaabimusik mischt. Der Titel ist ein Wortspiel und bezieht sich auf das arabische Wort "Habbi", das übersetzt etwa "mein Schatz" bedeutet. Und so ist Bonjour eine gelungene Neuausrichtung, musiklisch so bunt wie das Cover vermuten lässt aber auch tiefgründig genug, um auf Dauer zu bestehen.

(Wrasse Records / 2009)

Donnerstag, 19. November 2009

Mamadou Barry - Niyo

In Guinea ist der 1947 geborene Mamadou Barry sicher kein unbeschriebenes Blatt mehr, auch wenn er tatsächlich 62 Jahre alt werden musste, um sein erstes Album unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Die Leidenschaft für Musik erbte er von seinem Vater, einem Akkordeon- und Schlagzeuspieler einer der bekannteste Bands jener Zeit, Le Pavillion Bleu. Mamadou selbst spielt Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, aber auch Flöte und Percussion, war aber im sozialistischen Guinea dank Zwangsverpflichtung zunächst für kurze Zeit als Lehrer tätig, was ihm den Spitznamen 'Maitre Barry' einbrachte. Später als Arrangeur Bandleader und Komponist stellte er seine Saxophone und Flöten immer auch anderen Musikern zur Verfügung, was ihm den zweiten Spitznamen 'Arôme Maggi' einbrachte, eine Anspielung auf den in Westafrika nicht unbeliebten Brühwürfel. Ende der 60er Jahre war er Gründungsmitglied der Band Kaloum Star, die Teil des Authtenticité Programmes der sozialistischen Regierung unter Sekou Touré war. In Guinea wie auch im benachbarten Mali waren Musiker zu jener Zeit Staatsangestellte, die wie Beamte vom Staat bezahlt wurden. Ende der 60er wurde im Rahmen des Programmes das Syliphone Label gegründet, für das auch Miriam Makeba in der Zeit ihres Aufenthalts in Guinea einige Aufnahmen einspielte. Kaloum Star veröffentlichten 1973 ihr erste Aufnahme auf Syliphone als Beitrag eines Samplers, gefolgt von einigen Singles. In ihrer Musik verknüpfte die Band traditionelle Mandingo Melodien mit Jazz und Afrobeat und veröffentlichte in den 1990er Jahren schließlich ihr erstes internationales Album.

Das in Conakry aufgenommene Niyo wandelt nun auf den Spuren seiner ehemaligen Band und zeigt schon auf dem Cover an, wo es einzuordnen ist: "file under: Africa / Cool Groove". Dies trifft vor allem bei den Instrumentalstücken, die den größeren Teil des Albums einnehmen, zu. Hier gelingt ihm aufs Vorzüglichste dieser einzigartige Mandingo Afrobeat, der erstaunlicherweise ganz ohne Schlagzeug auskommt. Nur Bass und ein paar Percussion bilden das Rhythmusfundament, auf dem Barry mit seinen Saxophonen und hier und da auch mit einer Flöte zu glänzen versteht. Unter den Instrumentalstücken befindet sich auch eine Bearbeitung von Dave Brubecks Take Five, hier als Africa Five, das vor allem durch die Rhythmik stark "afrikanisiert" wurde.
Bei den Gesangsstücken wird Barry von drei hervorragenden Sänerginnen aus Guinea unterstützt: Sia Tolno, Sény Malomou and Missia Saran. Besonders erwähnenswert ist hier das von der jungen, in Sierra Leone geborenen Sia Tolno geschrieben und gesungene Sumbouya, das sie mit leicht angeauter Stimme vorträgt. Tolno hat selbst in diesem Jahr ihr Debütalbum veröffentlicht.
Im letzten Stück Néné, das mit einem griotartigen Lobgesang auf Barry beginnt, übernimmt schließlich Koraspieler Kélontan Cissoko die Hauptrolle. Das wunderbare Zusammenspiel zwischen Kora, Flöte und Saxophophon demonstriert einmal mehr auch die Vielfältigkeit Barrys Musik und sorgt damit für einen fulminanten Abschluss eines hervorragenden Albums.

(World Village / 2009)

Donnerstag, 12. November 2009

Afel Bocoum & Alkibar - Tabital Pulaaku

Das Cover, das Afel Bocoum mit seiner Gitarre vor einer Rinderherde zeigt, sagt vieles über den Künstler aus. Tatsächlich sieht sich Bocoum in erster Linie als Landwirt und erst danach auch als Musiker und tut es damit seinem Onkel, dem 2006 verstorbenen Ali Farka Toure gleich. Darüber hinaus investiert er die Einnahmen aus Plattenverkäufen und Tourneen in sein Heimatdorf Niafunke, in dem er vor mehr als 10 Jahren zusammen mit Toure sein erstes Album Alkibar aufgenommen hatte und nach dem er schließlich auch seine Band benannte. Nach Niger im Jahr 2006 entstand nun in Bamako das dritte Album Tabital Pulaaku, das sich nur marginal von seinen Vorgängern unterscheidet, das aber Bocoums Status als Nachfolger Ali Farka Toures festigt. Toure selbst war es, der ihn noch zu Lebzeiten dazu ernannt hatte.
Afel Bocoums Musik fehlt gänzlich das Schroffe, das seinen Onkel auszeichnete, was sicher kein Nachteil ist sondern vielmehr für Eigenständigkeit sorgt. WIe auch seinem Cousin Vieux Farka Toure gelingt es ihm, sich von den Einflüssen zu emanzipieren ohne diese zu verleugnen. Während Vieux jedoch seine Musik mit allerlei äußeren Einflüssen kombiniert, wählt Bocoum einen eher traditionellen Weg. So sind auch die Songs dieses dritten Album gebettet in die Klänge von Njarka und Njurkle, eine einsaitige Geige und eine einsaitige Gitarre, beides traditionelle Instrumente der Songhai, denen Bocoum angehört. Er selbst spielt Gitarre, wahlweise akustisch oder gelegentlich elektrisch und für den Rhythmus sorgen ein Bass sowie eine Kalebasse. Die zumeist kurz gehalteten Stücke sind oft ähnlich aufgebaut, erzeugen in ihrer Gesamtheit aber dennoch eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Hier und da blitzen wunderbare melodische Einwürfe auf, und einige Stücke enthalten in der Mitte einen Break um in ein beschwingteres Finale überzugehen. Bocoum singt nicht nur in seiner Muttersprache Songhai sondern auch in Peul (Fulani) und Bambara und sorgt somit wie auch schon sein Onkel für eine gewisse Völkerverständigung im Vielvölkerstaat Mali. Seine Stücke behandeln oft sozial-politische Probleme wie Abwanderung, fehlende Bildung oder Unterdrückung der Frau aber auch die westliche Freizügigkeit, die im muslimisch geprägten Mali nicht gern gesehen ist. Dabei geht es hier ganz und gar nicht um eine Kopftuch Diskussion, wie man im Stück Allah Tanu nachhören kann und dessen Text wie bei allen anderen Stücken auch in englischer und französischer Übersetzung vorliegt. Musikalisch wird das Ganze wie gewohnt mit gleichermaßen eleganten wie hypnotischen Klängen umgesetzt.
Wie seine Vorgänger auch ist Tabital Pulaaku kein Album, dass sich dem Hörer aufdrängt. Die Schönheit und der Reiz des Albums liegen nicht an der Oberfläche sondern müssen geradezu entdeckt werden und wer sich darauf einlässt, wird sicher fünding werden.

(Contre Jour / 2009)

Mittwoch, 4. November 2009

Mikea - Taholy

Vor einigen Jahren gründete Théo Rakotovao die Band Mikea, die er nach einer kleinen Bevölkerungsgruppe im Südwesten Madagaskars benannte und der er selbst entstammt. Mittlerweile nennt er sich auch selbst Mikea und veröffentlichte nun unter diesem Namen sein zweites internationales Album Taholy.
Mikea wuchs in der Region Masikoro im Südwqesten Madagaskars auf und studierte zunächst Wirtschaftswissenschaften. Doch schon während des Studiums verfolgte er das Ziel, sein musikalisches Talent für die Musik seiner Heimat einzusetzen. Sein Landsmann Rajery produzierte im Jahr 2002 sein erstes Album Longo und im Jahr 2008 erhielt er den Preis "Découvertes RFI musiques" des französischen Radiosenders RFI.
Taholy ist ein beinahe klassisches Singer/Songwriter Album geworden. Die sparsame Instrumentierung besteht meist nur aus Gitarre, Bass, ein paar wenige Percussion und hier und da mal eine Flöte. Stilistisch handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung des Beko, einem traditionellen A Capella Gesang, der vor allem bei Beerdigungen zum Einsatz kommt. Beka nennt man übrigens auch die 4-saitige und kastenförmige Gitarre, die auf dem Cover zu sehen ist und die mit ihrem markanten Klang für die nötigen Ecken und Kanten sorgt.
In seinen Liedern geht es allerdings durchaus um weltliche Themen wie Armut, Verrat, der Macht des Geldes aber auch um traditionelle Familienwerte und Heimweh. Was Mikea jedoch besonders am Herzen liegt ist auf die Umweltzerstörung in seiner Heimat hinzuweisen. Die Ausrodung des Waldes zerstört die Lebensgrundlage seiner Region. Gepackt werden die Songs in wunderbare und subtile Melodien, die sich ziwschen Folk und Blues bewegen und eine schier magische Anziehungskraft ausüben. Brillant!

(Contre Jour / 2009)

Dienstag, 20. Oktober 2009

Richard Bona - The Ten Shades Of Blues

"A few notes where each one has the strength to reach out and touch you. They're present in all kinds of popular music everywhere in the world, they resound in people's hearts. There's also a particular way to play them and join them together."

Richard Bona



Richard Bonas Beschreibung des Blues ist mehr als passend für dieses Album. Ohne diese Eklärung könnte der Titel durchaus in die Irre führen, denn wer hier 10 klassische 12-Takter erwartet, liegt falsch. Allenfalls Yara's Blues bietet klassischen Blues, zumal es auch auf Englisch gesugen wird, obwohl Bona den Text zunächst in Douala verfasste. The Ten Shades Of Blues erforscht vielmehr unterschiedliche Auffassungen des Blues verschiedener Kulturen. Nach eigener Aussage präsentiert das Album also 10 Arten den Blues zu spielen. Als Grundlage dient dazu der geschmeidige Bona Sound, der sich aus Jazz, Soul, Funk und den Rhythmen seiner Heimat Kamerun zusammensetzt. Ein perfektes Fundament für Bonas Projekt, dass mit dem indisch beeinflussten Shiva Mantra beginnt. Ein afroinidsches Klanggemälde, bei dem neben diversen Trommeln wie Mridangam und Tabla auch eine Sitar zum Einsatz kommt. Den Gesang übernehmen neben Bona Shankar Mahadevan und Nandini Srikar. Das Stück ist eine Beschwörung der Göttin Shiva und wurde in Bombay, Neu Delhi und Madras mit Musikern aufgenommen, die Bona auf seinen vorangegangenen Tourneen getroffen hat. Ganz anders ist dagegen das urbane Soul Stück Good Times, bei dem Frank McComb den Gesang übernommen hat und für den Bona auch schon Bass gespielt hat. Ein weiteres Highlight ist Kurumalete, das in seiner Polyrhythmik an senegalesischen Mbalax erinnert. Das Stück handelt davon, dass man sich nicht zu sehr hinter seinem Glauben verstecken sollte. Ebenfalls eine neue musikalische Nuance in Bonas Kosmos bietet African Cowboy, dessen Titel hält, was er verspricht. Stilistisch kann man es als Afro Country bezeichnen, inklusive Banjo und Geige, wobei das Banjo auch in Kamerun verbreitet ist. Der African Cowboy ist Bona selbst, der auch ein Faible für Country Musik hat. Dem seiner Frau gewidmeten Yara's Blues kommt Bona schließlich der klassischen Vorstellung von Blues am nächsten, inklusive Bluesharp und Hammond Orgel.
Trotz seiner Vielschichtigkeit wirken Bonas Ten Shades Of Blues zu keiner Zeit beliebig sondern bilden ein homogens Ganzes, das von Bonas samtweicher Stimme und seinem markanten Bassspiel zusammengehalten wird. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man seine Musik als Easy Listening abtun, unter der Oberfläche brodelt es jedoch spürbar. Auf höchstem Niveau gelingt ihm somit sein vielleicht bislang bestes Album.

( Wrasse Records / 2009)

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Netsayi - Monkey's Wedding

2006 war Chimurenga Soul eines jener Alben, die einen unweigerlich in ihren Bann zogen. In z.T. episch ausufernden, in Jazz und Soul gebetteten Songs gelang Netsayi ein ganz erstaunliches und außergewöhnliches Debütalbum. 2 Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig geblieben. Monkeys' Wedding markiert eine völlige Kehrtwende und präsentiert größenteils kurze und eingänge und vor allem am Pop orientierte Stücke. Einzig ihr markantes Songwriting ist quasi als Vistienkarte übrig geblieben und sorgt für die nötigen Ecken und Kanten. Und wenn sich der erste Schreck gelegt hat, wird man schnell feststellen, dass sich diese konsequente Weiterentwicklung mehr als gelohnt hat. Die einzelnen Stücke sprühen nur so vor Einfallsreichtum und mit jedem Hören entdeckt mam neue Nuancen, die zuvor noch nicht aufgefallen waren. Allein für Kleinode wie Toy Soldiers oder Money Drum muss man dieses Album schon lieben, aber auch die ätzende Abrechnung mit falschen Freunden in Weaves And Magazines oder das witzige Top Cop, das traditionelle Mbira Klänge auf die E-Gitarre überträgt, wie dies Thomas Mapfumo schon in den 70er Jahren perfektionisiert hat. Dazwischen gibt es ein wunderbares A-Capella Stück namens Ishe Komberera, das einzige Stück, das sie in ihrer Muttersprache Shona singt und eine Coverversion von Gilberto Gils Queremos Saber. Auch ruhigere Stücke wie Teenagers, ein nostalgischer aber nicht sentimentaler Blick zurück in die Jugendzeit in Harare oder das wunderbare Jacarandes ganz am Ende, bei dem sie nur noch von einem Piano und einer Trompete begleitet wird, reihen sich perfekt ein in Dutzend hervorragender Songs. Diese sind in eigentständige Arrangements gepackt, die klanglich ziwschen Simbabwe und dem Rest der Welt pendeln. Dabei schreckt Netsayi auch nicht vor programmierten Beats und antiquierten 80er Jahre Keyboards zurück, sondern kombiniert diese mit Percussion, Gitarren, Townshipgesängen und vielem mehr.
Unterm Strich geht Monkeys' Wedding der Gefahr sich zu wiederholen konsequent aus dem Weg und sorgt somit sicher für eine der Überraschungen des Jahres, zumindest wenn man den Vorgänger kennt. Nichtsdesotrotz muss sich das Album in keinster Weise vor dem großartigen Debüt verstecken.

(World Connection / 2009)

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Daby Balde - Le Marigot Club Dakar

Einen Gimmick der besonderen Art wurde dem zweiten Album von Daby Balde beigelegt, nämlich einen Getränkegutschein für den titelgebenden Club in Dakar, einzulösen bis Ende 2010. Wer zufällig mal in Dakar sein und diesem Club einen Besuch abstatten möchte, sollte darauf achten, dass es ein Tag ist, an dem Daby Balde selbst eine Auftritt hat, es dürfte sich lohnen. Der aus der Casamance im Süden Senegals stammende Balde hat diesen Club gegründet, um die Fula Traditionen zu erhalten, was im von Wolof und damit Mbalax aber auch HipHop dominierten Dakar eher eine Seltenheit sein dürfte. Und so hat die Musik auch recht wenig mit der seines weitaus promineteren Landsmannes Youssou N'Dour zu tun. Vielmehr erinnert mich die Musik an die traditionelleren Werke der ebenfalls aus der Casamance stammende Band Toure Kunda, irgendwo zischen den Alben Amadou Tilo und Casamance Au Clair De Lune. Im Grunde handelt es sich bei Le Marigot Club Dakar um ein senegalesisches Singer/Songwriter Album, bei dem auch europäische Einflüsse nicht außen vobleiben. So ist bereits im ersten Stück Yaye Boye ein Saxophon zu hören, eingebettet in akustische Gitarren und ein paar Percussion. An anderen Stellen tauchen auch Violinen auf aber auch Kora und Balafon kommen hier und da zum Einsatz. Was Balde auszeichnet ist neben seiner Stimme ein Händchen für gleichermaßen elegante wie hypnotische Melodien, die in der Regel sparsam arrangiert und auf das Wesentliche ausgerichtet wurde. Seine Texte handeln auch schon mal von Korruption wie in Lambe Leydi oder auch von tragischen Ereignissen, wie dem Untergang der seneglesischen Passagierfähre Le Joola vor der Küste Gambias im Jahr 2002, bei dem knapp 2000 Menschen ums Leben kamen. Andere Songs handeln von Armut oder klischeehaften Denken üner den Senegal im Speziellen und Afrika im Allgemeinen. Gepackt in wunderbare Songs und Arrangements ergibt das großartiges Album. Santé!

(Riverboat / 2009)

Dienstag, 28. Juli 2009

Justin Adams & Juldeh Camara - Tell No Lies

Yeah! Das erste Stück heißt Sahara und so rau und heiß wie das Wüstenklima ist auch der erste Song dieses außergewöhnlichen Albums. Ein krachig schepperndes Gitarrenriff trifft auf Djembe Rhythmen und Juldeh Camaras Ritti, eine einsaitige, westafrikanische Geige. Stellt sich die Frage, wo man diese Musik einordnen soll. Desert Punk? Zumindest das Riff ist sehr punklastig und erinnert mich entfernt an Zero Zero UFO von den Ramones. Aber der Gambier Juldeh Camara, der neben dem Spiel der Ritti auch für den Gesang zuständig ist, ist natürlich kein Punk sondern ein Griot und somit prallen hier zwei auf dem Papier sehr unterschiedliche musikalische Welten aufeinander, was nicht zwangsläufig funktionieren muss, hier aber ganz ausgezeichnet zusammenpasst. Ein derart wildes Stück wie Sahara kommt danach zwar nicht mehr, das Rohe und Unbehauene bleibt jedoch erhalten und wird in einer Mischung aus Rhythm and Blues und Desert Blues geerdet. Ersteres hört man vor allem bei Kele Kele (No Passport No Visa) das zu allem Überfluss auch noch über eine unwiderstehliche und ohrwurmartige Melodie verfügt. Der Fulani Coochie Man vereinigt dagegen, wie man sich bei dem Titel sicher vorstellen kann, amerikanischen mit westafrikanischem Blues. Der hochkarätige Rest pendelt meist irgendwo dazwischen und im epischen Gainako wird dann auch mal ein Gang zurückgeschaltet und eine akustische Gitarre verwendet. Es ist immer wieder beeindruckend, wenn Ritti und Gitarre aufeinandertreffen, zumal Camaras Instrument nach eigenen Aussagen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der nur einen Saite sehr unterschiedliche Klangfarben und Stimmungen zu Tage fördern kann. An manchen Stellen klingt sie wie eine Bluesharp, an anderen Stellen wie eine kelitische Geige und dann wieder wie eine westafrikanische Hirtenflöte. Dazu gesellt sich dann Justin Adams' rauhe Gitarre und sorgt somit für ein unvergleichliches Klangerlebnis. Adams, der auch schon mit Jah Wobble, Robert Plant oder Natcha Atlas zusammengearbeitet und das Debütalbum von Tinariwen produziert hat, fügt den westafriknischen Traditionen somit neue Nuancen zu. Für das Rhythmusfundament sorgt Salah Dawson Miller und als Referenzen seien hier noch Muddy Waters und Bo Diddley genannt. All diese Zutaten sorgen schließlich für ein eigenständiges Werk, das Altbekanntem neues Leben einhaucht.

(Real World Records / 2009)

Montag, 20. Juli 2009

Mayra Andrade - Live in Karlsruhe (19.07.2009) / stória, stória...

Ich muss gestehen, dass die Musik der Kapverden bei mir bislang nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst hat. Mayra Andrade bildet hier die Ausnahme, was vielleicht auch daran liegen mag, dass sie die Musik ihrer Heimat, die typische Melancholie der Kapverden, mit westafrikanischen, brasilianischen, kubanischen und auch französischen Einflüssen mischt und hier und da mit ein paar Jazztupfern versieht. Hinzu kommt diese leicht angerauhte Stimme, die viel erwachsener und lebenserfahrener klingt als man das von einer gerade mal 24-Jährigen erwarten würde. Wobei es der auf Kuba geborenen und auf Kap Verde, in Angola und in Frankreich aufgewachsenen Andrade sicher nicht an Lebenserfahrung mangeln dürfte. Wirkte sie bei ihrem Auftritt in Würzburg vor 3 Jahren noch etwas schüchtern, so wickelt sie ihr Publikum auf der aktuellen Tour mit jeder Menge Charme und Eleganz um den kleinen Finger, kokettiert mit ihrem manchmal etwas holprigen Englisch ("Gestern war mein Englisch viel besser. Ehrlich!") oder lobt mit einem Augenzwinkern die deutsche Perfektion. Einziger Wehrmutstropfen beim Konzert in Karlsruhe waren die Stuhlreihen, die bis vor an die Bühne aufgebaut wurden. Ansonsten war es aber ein wunderbares Konzert, das sich vor allem auf die Vorstellung des neuen Albums stória, stória... konzentrierte. Dabei wurde die Rhythmik vor allem durch den brasilianischen Perkussionisten Ze Luis Nascimiento gegenüber dem Album noch deutlich verstärkt. Flink wie ein Wiesel wechselte er zwischen einer ganzen Batterie von Instrumenten und sorgte bisweilen für eine Dynamik, welche die Stuhlreihen noch überflüssiger erscheinen ließ, als sie dies eh schon waren. Der kamerunischen Bassist Etienne M’Bappé sorgte dagegen hier und da für funkige Elemente und beim großartigen Luo vom Debüt Navega sang Andrade zunächst nur vom Bass begleitet, ehe die Percussion einsetzten.

Im Gegensatz zum Konzert wirkt auf dem Album alles etwas zurückhaltender und noch detailfreudiger, als dies beim Liveauftritt schon der Fall war. So sorgt im Stück Tchápu na bondera eine Kora für Akzente, während bei Seu eine einsame Trompete ein paar Jazztupfer setzt. Seu ist auch ein schönes Beispiel dafür, dass Mayra Andrade auch ein Händchen für das Songwriting hat, eine Fähigkeit, die sie hier aber leider nur 5 mal unter Beweis stellt, darunter auch Odjus fitchádu eine Kollaboration mit dem Israeli Idan Raichel, das auf einem kapverdischen Rhythmus, dem sogenannten Coladeira, basiert oder Mon carrousel, ein rhythmusbetontes Stück mit einer chansonartigen Melodie, das auch auf französisch gesungen wird. Aber auch die restlichen Stücke, darunter Songs ihres Gitarristen und kapverdischen Multiinstrumentalisten Kim Alvés wissen zu überzeugen. Auch die meisten anderen Fremdkompositionen wurden speziell für Mayra Andrade geschrieben, wobei die Autodidaktin, die keine Noten lesen kann, immer konkrete Vorstellungen davon hat, wie sie die einzelnen Songs umsetzen möchte und sie somit quasi zu ihren eigenen macht. Und das funktioniert auf stória, stória... ausgesprochen gut.

Montag, 6. Juli 2009

Vieux Farka Touré - Fondo

Auf seinem Debütalbum wurde er noch von seinem Vater unterstützt, jedoch ließ er schon damals eine gewisse Eigenständigkeit durchblicken. Folgerichtig erschien von dem Album auch eine Remixversion mit allerlei Beats und Loops und sonstigen elektronischen Spielereien, die dem Puristen übel aufgestoßen sein dürften. Vieux selbst hielt es jedoch für die bessere Version. Wie dem auch sei, mit Fondo kehrt Vieux zumindest teilweise zu den Wurzeln zurück, emanzipiert sich aber dennoch endgültig vom schweren Erbe. Die Blues Strukturen sind zwar vorhanden aber weit weniger ausgeprägt, als dies bei Ali Farka Toure, dem das Album übrigens gewidmet ist, der Fall war. Die Musik pendelt zwischen Wüstenblues und Wüstenrock wozu nicht zuletzt auch der Einsatz eines Schlagzeuges beiträgt, das im Stück Aï Haïra zusammen mit traditionellen Percussion für irrwitzige Rhythmen sorgt und bei dem er von seinem Cousin Afel Bocoum gesanglich unterstützt wird. Den Wüstenblues mit seinen flirrenden Gitarren gibt es dann im ruhigen und doch atmosphärisch dichten Souba Souba. Beide Stücke zeigen die Flexibilität und den Variantenreichtum in Vieux Farka Toures Gitarrenspiel, das zusammen mit seiner kräftigen Stimme nahezu perfekt harmonisiert. Besonders gut zur Geltung kommt dies u.a. im Stück Sarama, das mit seinem Wechsel zwischen laut und leise und seinem Drumbeat eine Art Prototyp des Wüstenrock sein könnte. Wobei man bei Rock freilich nicht an breitbeinigen weißen Hardrock denken sollte, vielmehr erinnern die leichfüßigen Rhythmen an klassichen Rhythm and Blues. Und in diesem Kontext ist auch ein traditionelles Stück wie Walé, bei dem er einmal mehr von Afel Bocoum am Mikro unterstützt wird, nicht Fehl am Platz und auch sein Vater hätte das wohl nicht besser hinbekommen. Am Ende des Albums gibt es noch das Instrumentalstück Paradise, bei dem er von Toumani Diabate an der Kora unterstützt wird. Diabate, der auch schon beim ersten Album dabei war, liefert hier ein wunderbares Zusammenspiel mit Vieuxs Gitarre und zeigt, dass auch E-Gitarre und Kora gut miteinenander harmonisieren können.
War das Debüt schon äußerst gelungen, so liefert Vieux Farka Toure mit seinem zweiten Album nicht weniger als sein Meisterwerk ab. Fondo ist knallharte Konkurrenz zum Staff Benda Bilili Album, und das will in diesem Jahr schon etwas bedeuten.

(Six Degrees / 2009)

Freitag, 3. Juli 2009

Rokia Traoré live in Karlsruhe (02.07.2009)

Zugegeben, ich habe es mir im Vorfeld schon ein paar Takte ruhiger vorgestellt, zumal die 4 Alben ja auch meist eher zurückhaltend sind. Auf der Bühne befanden sich lediglich Schlagzeug, Bass und Gitarre, am Rand waren noch 3 oder 4 Ngonis aufgebart. Kurz vor Beginn kam noch der Veranstalter auf die Bühne und bat die sitzenden Gäste, sich doch nach hinten und an die Seite zurückzuziehen, damit vor der Bühne ausreichend Platz zum tanzen bleibt. Gut so, denn es zeigte sich schnell, dass Rokia Raoré live sagen wir mal deutlich schwungvoller zu Werke geht. Und dabei erweist sie sich nicht nur als ausgezeichnete Sängerin und Songschreiberin sondern auch als fabelhafte Tänzerin, wenn sie nicht gerade hinter der beinahe überdimensional wirkenden Gretsch Gitarre verschwindet. Diese kam jedoch leider nur einmal beim Übersong Dounia zum Einsatz, das hier nicht wie auf dem Album den Anfang machte, sondern mehr in der Mitte des Konzertes gespielt wurde und das am Ende noch heftiger geriet, als man es vom Album her kannte. Immer wieder zum in die Knie gehen. Auch sonst wurde das Hauptmerkmal auf das aktuelle Album Tchamantché gelegt, aus dem einige Stücke gespielt wurden, darunter Aimer, Zen und natürlich zu Ehren von Billie Holiday, nach eigenem Bekunden eine ihrer Lieblingskünstlerinnen, die Gershwin Komposition The Man I Love. Vor dem abschließenden Stück Tounka gab es noch eine Ansage zu Migration und dem Reichtum Afrikas, der völlig falsch verteilt ist. Nach einer Stunde war der offizielle Teil dann zu Ende doch es folgte eine gut halbstündige Zugabe mit Bandvorstellung, bei der vor allem der Bassist, der schon während des ganzen Abends für funkige Akzente sorgte, als warer Könner erwies und hier nun wie entfesselt spielte. Angespielt wurde auch Fela Kutis Lady und Miriam Makebas Pata Pata und am Ende gab es stehende Ovationen und nicht enden woller Beifall des Publikums, der die Band schließlich für eine weitere Zugabe auf die Bühne zurück holte. Im Zelt herrschten mittlerwiele subtropische Verhältnisse, und das lag sicher nicht nur an den sommerlichen Abendtemperaturen.

Freitag, 26. Juni 2009

Tony Allen - Secret Agent

The Masterdrummer is back again! Ein Tony Allen Album kann gar nicht schlecht sein und er ist wohl der einzige Schlagzeuger, von dem ich mir ein Soloalbum, also ausschließlich Schlagzeug, kaufen würde. Dabei hört man es dem Album zunächst gar nicht an, dass es das Album eines Schlagzeugers ist: keine Egotrips, keine endlosen Soli dafür aber der ultimative Beat. Tony Allens pulsierendes Rhythmusgeflecht wirkt bisweilen unscheinbar, ist aber unersetzbarer Bestandteil der Musik. Das erkannte auch Fela Kuti mitte der 60er Jahre und stellte fest, dass Allen klinge, als würden 4 Schlagzeuger gleichzeitig spielen. Allen, der sich das Schlagzeugspielen durch das Hören seiner Vorbilder Gene Krupa, Art Blakey und Max Roach selbst beibrachte, begründete dies damit, dass er die Rhythmen unterschiedlicher Musikrichtungen wie Jazz, Funk und Soul mit den eigenen Yoruba Rhythmen kombinierte. Und somit kann man Allens Anteil an der Entwicklung des Afrobeat gar nicht unterschätzen, zudem war er in Felas Band Africa 70 der inoffizielle musikalische Leiter. Als er die Band Ende der 70er verließ, versuchte Fela in seiner neuen Band Egypt 80, Allens Schlagzeugspiel durch 4 Schlagzeuger zu ersetzen.
Tony Allen selbst machte sich was Plattenveröffentlichungen angeht eher rar. Die ersten 3 Soloalben nahm er bereits zu Africa 70 Zeiten mit eben jener Band auf und gründetete nach seinem Abgang die Afro Messengers, mit der aber nur das Album No Discrimination aufnahm und mit dem er den Afrobeat zumindest künstlerisch erfolgreich in die 80er Jahre überführte. In den folgenden Jahren agierte er hauptsächlich als Sessionmusiker und Anfang des neuen Jahrtausends wurde er schließlich von Damon Albarn entdeckt, der im Song Music Is My Radar bekannte: "Tony Allen got me dancing". Albarn wirkte 2002 auch auf dem Album Homecooking mit, auf dem Allen den Afrobeat für das enue Jahrtausend erschuf. Mit Lagos No Shaking kehrte der bereits in den 80er Jahren nach Paris ausgewandere Allen 2006 zu seinen Wurzeln zurück und nahm in seiner früheren Heimat ein nahezu klassisches Afrobeat Album auf.
Secret Agent knüpft an seinen Vorgänger an, präsentiert allerdings auch die ein oder andere Neuerung. So kommt in den Stücken Ijo und Nina Lowo durch den Einsatz eines Akkordeons ein ganz kleines bisschen französisches Flair auf. Beide Stücke werden von der großartigen AYO (nicht zu verwechseln mit Ayo.) gesungen. Allen überlässt den Gesang auf diesem Album zum großen Teil Gästen und übernimmt das Mikro nur beim Titelstück und beim abschließenden Elewon Po, beides politische Stücke, wenngleich natürlich deutlich zurückhaltender vorgetragen als dies einst bei Fela der Fall war. Allen war schon damals der Ruhepol und sozusagen das ideale Gegenstück zu Fela.
Was das Album auszeichnet sind natürlich Allens Drumpatterns, ohne die das alles vermutlich nur halb so gut wäre. Sobald der Groove einsetzt kann er sich fast alles erlauben, weiß aber dennoch auch kompositorisch zu überzeugen. Die Texte haben meist die jeweiligen Sänger geschrieben und mit Atuwaba gibt es gar ein kurzes A-Capella Stück, ebenfalls von AYO gesungen, das mehr nach Zulu als nach Yoruba klingt. Ansonsten überwiegt selbstvertständlich der Afrobeat, der im Vergleich zu Africa 70 deutlich kürzer und kompakter daherkommt und mit King Odudu hat Allen sogar einen Sänger gefunden, dessen Stimme der eines Fela nicht unähnlich klingt. Nachhören kann man dies in den beiden Stücken Celebrate und Pariwo, die beide ungemein entspannt und lässig wirken. Und es ist vor allem das Entspannte und Lässige, das Tony Allens Schlagzeugspiel auszeichnet, kein Kraftakt sondern locker aus dem Handgelenk geschüttelt. Eine Fähigkeit, die er nach eigenen Aussagen in den Clubs von Lagos gelernt hat, denn dort dauern Konzerte nicht 2 sondern 6 Stunden, so dass man seine Kräfte einteilen muss.
Secret Agent bietet zwar nicht viel Neues, dafür aber das Alte auf gewohnt hohem Niveau. Kaum zu glauben, dass Tony Allen nächstes Jahr schon 70 wird, man hört und sieht es ihm nicht an. Möge er uns noch mit vielen solcher Alben beglücken.

(World Circuit / 2009)

Freitag, 15. Mai 2009

Victor Olaiya's All Stars Soul International

"They thought I moved Highlife music out of the ordinary. Then, it was believed that my Highlife was a little bit out of this world, beyond explanation. This was why Alhaji Alade Odunewu of the Daily Times styled me The Evil Genius of Highlife."
(Victor Olaiya)


Im Gegensatz zu den bisherigen Afro-Veröffentlichungen auf Vampisoul handelt es sich bei diesem Album nicht um eine Anthologie oder Kompilation sondern um ein reguläres Album, das ca. 1970 in Nigeria veröffentlicht wurde. Ganz sicher ist man sich da im Hause Vampisoul aber nicht, wie der Begleittext verrät. Verraten wird auch, wie die Linernotes zustande gekommen sind: anhand von Literatur und Internetrecherche. Um mehr über diese Veröffentlichung zu erfahren, müsste man sich wohl am Besten vor Ort begeben und mit Zeitzeugen und Olaiya selbst sprechen. Diesen Aufwand, bei Analog Africa und Soundway gang und gäbe, betrieb man hier jedoch nicht. Und so erfährt man auch nichts über die beteiligten Musiker oder wer die jeweiligen Stücke singt. Vom Klang her ist das Album allerdings besser als die zeitgleich veröffentlichte Fred Fisher Anthologie, was doch ein bisschen verwundert, immerhin sind die Aufnahmen deutlich älter.

Die musikalische Karriere Victor Olaiyas beginnt in den 50er Jahren. Im Jahr 1954 gründete er seine erste Band The Cool Cats quasi als Konkurrenz zum damals sehr erfolgreichen Ghanaer E. T. Mensah. Und obwohl Kritiker die Band zeitweise spöttisch als The Copy Cats bezeichneten, war sie doch auch eine Talentschmiede, bei der u.a. Sunny Ade, Tony Allen und Fela Kuti ihre ersten musikalischen Gehversuche machten. Olaiya gilt als eines der Urgesteine moderner nigerianischer Musik, dennoch hält sich sein Bekanntheitsgrad außerhalb der Heimat stark in Grenzen.
Nachdem 1968 James Brown Nigeria eine Besuch abstattete erweiterte auch Olaiya sein Spektrum um Funk und Soul und nannte seine Band fortan All Stars Soul International. Das vorliegende Album, das nach dem Biafra Krieg veröffentlicht wurde, ist ein beeindruckendes Dokument jener Phase, das klassische Highlife Musik mit brodelndem Funk und Soul kombinierte, was gleich zu Beginn mit dem Doppelpack Let Yourself Go / There Was A Time besonders gut zur Geltung kommt. Die Anlehnung an James Brown ist vor allem dank des Sängers, der hier um sein Leben zu singen scheint, unüberhörbar. James Brown wird aber auch durch zwei Coverversionen gewürdigt, zum einen Cold Sweat und zum anderen Mother Popcorn, welches am Ende des Album aber leider nur noch angedeutet wird. Dazwischen gibt es aber auch klassichen Highlife wie New Nigeria, welches sich mit seiner lieblichen Melodie dem Ende des Biafra Krieges widmet und auf eine friedliche Zukunft hofft. Im Text stellt sich Olaiya dabei direkt auf die Seite des Generals Gowon, dem damaligen Staatschef.

Victor Olaiya's All Stars Soul International ist leider nur ein kurzes Vergnügen, die insgesamt 12 Stücke, die allesamt miteinander verwoben sind, so dass keine Pausen enstehen, bringen es auf gerade mal 32 Minuten. Der Qualität tut dies natürlich keinen Abbruch und es bleibt zu hoffen, dass dies nicht der letzte Reissue ist.

(VampiSoul / 2009)

Montag, 11. Mai 2009

Fred Fisher Atalobhor - African Carnival

Wer ist Fred Fisher Atalobhor? Viele Informationen findet man nicht, wenn man diesen Namen bei Google eingibt. Genau genommen führen so gut wie alle Suchergebnisse zu dieser Vampisoul Veröffentlichung und damit wären wir schon beim ersten Kritikpunkt: auch die Linernotes dieser Anthologie verraten nicht übermäßig viel über diesen nigerianischen Musiker, der wohl hauptsächlich in den 1970er und 1980er Jahren aktiv war. African Carnival umfasst 4 Alben, die in den Jahren 1979 bis 1990 veröffentlicht wurden, wobei ich mir bei den angegeben Jahreszahlen nicht sicher bin, ob diese tatsächlich stimmen. Zumindest stehen sie im Widerspruch zur kurzen Biographie von Samuel Kayode. Über die Quellen der Aufnahmen erfährt man nichts, kann aber beim Hören erahnen, dass hier wohl von bereits stark abgenutztem Vinyl überspielt wurde. Eine Aufbereitung der Aufnahmen hat vermutlich nicht stattgefunden, oder wie ist sonst zu erklären, dass die Alben der Konkurrenz wie Soundway oder Analog Africa so viel besser klingen? An manchen Stellen leiert und knackt es so stark, dass der Hörgenuss durchaus darunter leidet. Mehr Sorgfalt wäre hier einmal mehr durchaus angebracht gewesen. Das gilt auch für die Gestaltung des Booklets, das man hier gleich ganz weggelassen hat. Zumindest Abbildungen der Original LPs hätten doch drin sein müssen.

Wie bereits erwähnt, umfasst African Carnival 4 LPs, ob diese hier vollständig vorhanden sind, kann ich nicht sagen, es wäre aber durchasu möglich, da jede dieser LPs hier mit ca. 40 Minuten abgedeckt wird. Dabei überzeugt mich vor allem die erste LP Say The Truth aus dem Jahr 1979, die mit einer Mischung aus Reggae und Afrobeat zu überzeugen weiß. Das darauffolgende Album No Way ist dagegen deutlich von der damaligen Discowelle beeinflusst, die offensichtlich auch an Lagos nicht spurlos vorbei ging. Dabei ist die nigerianische Variante nicht ohne Reiz, wenngleich Say The Truth hier das deutlich bessere Album ist. Wahala Dey For Town aus dem Jahr 1988 ist das schwächste der hier vertretenen Alben, allerdings ist hier mit dem superbem Mercenary Go, Mercenary Come einer der stärksten Songs dieser Kompilation vertreten. Ganz am Ende kommt dann mit Ogiza das beste Album, aber leider das vom Sound her schlechteste. Knacken und Kratzen der Vinylvorlage sind deutlich zu hören und daneben erzeugt ein Leiern vor allem bei den Keyboards in Cry For Peace einen psychedelischen Effekt, der so sicher nicht gedacht war. Musikalisch geht es hier am deutlichsten in Richtung Afrobeat, und Fisher musste sich vor Fela, für den er auch schon mal das Vorprogramm bestritt, zu jener Zeit nicht verstecken. Ausgerechnet an Fela verlor er damals auch seinen großartigen Gitarristen Bob Ohiri, was gleichzeitig auch das Ende seiner Band bedeutete. Heute ist Fisher vor allem als Sessionmusiker tätig und arbeitet in Nigeria wohl mit unterschiedlichen Bands zusammen.

African Carnival kommt sowohl als randvolle Doppel CD als auch als Doppel LP, bei der man aber gleich 10(!) Tracks weggelassen hat (u.a. das großartige Mercenary Go, Mercenary Come). An ein 4LP Set, das für eine komplette Edition wohl mindestens notwendig gewsesen wäre, hat man sich vermutlich aus Kostengründen nicht herangewagt. Allerdings hatte ich auch auf CD 2 hier und das das Gefühl, dass manche Tracks aus Platzgründen vorzeitig ausgeblendet wurden. Möglicherweise ist dieser Verdacht unbegründet, eine Vergleichsmöglichkeit habe ich freilich nicht. Nichtsdestotrotz ist auch African Carnival leider nur eine sehr zwiespältige Angelegenheit geworden. Auf der einen Seite großartige Musik die auch sehr schön verpackt wurde, aber auf der anderen Seite eben erneut Schlamperei bei der Überspielung und auch was die Linernotes angeht, erwarte ich bei solchen Veröffentlichungen einfach mehr. Dank fehlender Alternativen bzgl. Fred Fisher Atalobhor handelt es sich hier natürlich dennoch um eine Empfehlung.

(VampiSoul / 2009)

Donnerstag, 30. April 2009

Hugh Masekela - Phola

Mit einiger Verspätung wurde hierzulande nun auch das aktuelle Album Phola von Hugh Masekela, der Anfang April seinen 70. Geburtstag feierte, veröffentlicht. Ein Alterswerk, wie man nach dem ersten Hördurchgang meinen könnte. Weitestgehend entspannt und zurückgelehnt wird da musiziert und irgendwie fehlten mir zunächst einmal die Ecken und Kanten. Nur 2 der 9 neuen Stücke sind Instrumentals, bei den restlichen Soings weiß Masekela mit seiner raspeligen Stimmen durchaus zu überzeugen, doch letztendlich ist es einmal mehr sein fantastisches Spiel auf dem Flügelhorn, das hier voll und ganz zu überzeugen weiß. Hier und da erklingen aus dem Hintergrund Keyboardklänge aus längst vergangenen Zeiten, auf die ich auch gerne verzichtet hätte, aber am Ende überwiegt nach mehrmaligem Hören doch der positive Gesamteindruck. Dabei zählen auch 4 superbe Kompositionen, die quasi den Rahmen dieses Albums bilden. Das politisch angehauchte Bring It Back Home und das autobiographische Sonnyboy überzeugen neben wunderbaren Melodien und großartigem Flügelhornspiel eben auch durch Masekelas vom Alter gegerbten Stimme. Beide Stücke haben etwas episch Anmutendes das sich zum Ende hin steigert was bei Sonnyboy sogar im Einsatz einer E-Gitarre gipfelt. Das luftig lockere Weather, das vermutlich auch etwas mit dem Klimawandel zu tun hat, zeigt die andere Seite des Albums und präsentiert, wie an andereen Stellen auch, wunderbaren Chorgesang. Das epische und tranceartige Hunger am Ende des Albums fasst noch einmal die ganze Klasse Masekelas zusammen. Anhand diverser afrikanischer Percussion wird eine in den Bann ziehende Polyrhythmik erzeugt auf deren Basis Masekela knapp 9 Minuten lang sowohl gesanglich als auch auf dem Flügelhorn zu überzeugen weiß.
Die beiden Instrumentalstücke sind Moz, eine Reminiszenz an den Hit Gracing In The Grass aus dem Jahre 1968, dessen Produzent Stewart Levine hier an der Klarinette zu hören ist und Jon Luciens The Joke Of Life, mit dem er bereits 1985 einen Hit landen konnte.

Am Ende ist Phola doch ein gelungenes sagen wir mal Spätwerk, dem es hier und da ein bisschen an Schärfe fehlt, was aber durch den guten Gesamteindruck wieder wett gemacht wird, wozu vor allem Masekelas phantastisches Trompetenspiel beiträgt. Im Vergleich zum hierzulande zeitgleich neu veröffentlichen 1992er Album Beatin' Around De Bush ist Phola zumindest klangtechnisch überlegen, wenngleich auch jenes Album trotz seines bisweilen allzu zeitgeistigen frühen 90er Sounds durchaus empfehlenswert ist.

Mittwoch, 22. April 2009

Culture Musical Club - Shime!

In seinen Anfängen war der Culture Musical Club eine Jugendorganisation der Afro Shirazi Partei während des Unabhängigkeitskampfes mitte der 50er Jahre. Heute ist er das älteste und erfolgreichste Taarab-Orchester Sansibars. Taarab, dessen Sprachwurzel auf das arabische Wort "tariba" zurückgeht und so viel bedeutet wie "in Bewegung sein", setzt sich aus afrikanischen, arabischen und inidschen Elementen zusammen und spielt in der Gesellschaft Sansibars bis heute eine große Rolle. Traditionell wird Taarab von Orchestern gespielt, die sowohl europäische Instrumente wie Geige oder Akkordeon als auch afrikanische Instrumente wie die Zither Kanun oder Ngoma, Tabla und Dumbak Trommeln sowie arabische Instrumente wie die Blockflöte Nay und die Laute Oud einsetzen. Kennzeichnend sind auch die meist aus Frauen bestehenden Swahili Chöre, die in der Regel den Refrain übernehmen oder in einer Art Call and Response Gesang als Antwort auf den Hauptsänger zum Einsatz kommen.

Mit dem Album Shime! feiert der Club nun seinen 50. Geburtstag. In 8 z.T. langen Stücke, die auch schon mal die 10 Minuten Grenze überspringen, verbreiten die Musiker in der Tat eine einzigartige Stimmung, in der arabische mit südafrikanischen Gesänge und orientalische Melodien mit afrikanischen Rhythmen kombiniert werden. Die Texte sind dabei oft von profaner Natur, handeln von glücklicher oder unglücklicher Liebe oder Arroganz und Dummheit, wie das über 12 Minuten lange Rejea Tena Chuoni, das dem Angesprochenen empfiehlt, zurück zur Schule zu gehen. Ein auf den ersten Blick monotones Stück, das allerdings mit allerlei rhythmischen Finessen ausgestattet ist und durch seine Aufteilung in mehrere Teile fast schon wie eine Suite wirkt. Ähnlich in Länge und Klasse das abschließende im Kidumbak Stil gespielte Kidumbaki. Kidumbak, benannt nach der gleichnamigen Trommel, ist eine spezielle Form des Taarab und wird in der Regel in kleinerer Besetzung gespielt. Kidumbaki ist ein Medley, das aus 5 Stücken besteht, die allerdings dank ihrer Ähnlichkeit ebenfalls wie eine Suite wirken. Als Instrumente kommen hier lediglich Geigen und Percussion zum Einsatz, die sich hier aufregende "Duelle" leisten. Die Melodie wird hauptsächlich durch den Gesang erzeugt, wobei sich auch hier Solostimme und Chor in nichts nachstehen und durch pure Schönheit überzeugen.

Schon Taj Mahal wusste den Culture Musical Club zu schätzen und nahm mit seinen Musikern vor ein paar Jahren ein Album auf. Aber auch ohne prominente Unterstützung ist dem Ensemble hier ein unvergleichliches Album gelungen, dessen ganze Schönheit und Klasse sich allerdings tatsächlich erst nach mehreren Durchgängen erschließt. Lohnen tut es sich allemal.

(World Village / 2009)

Samstag, 11. April 2009

K'Naan - Troubadour

"Was ist das denn?" wird sich der Purist fragen. "And if rap gets jealous 'cause I rock heavy / it don't worry me if m'a fuckers don't get it." heißt es im Stück If Rap Gets Jealous, einem gewaltigen Raprock Song mit keinem geringeren als Metallicas Kirk Hammett an der breitbeinigen Gitarre inklusive Solo. Nicht nur musikalisch sondern auch im Text geht es um das Einreißen von Barrieren und somit steht das Stück stellvertretend für den Rest des Albums. Einen weiteren Rocker dieser Art findet sich hier zwar nicht mehr, dennoch dient HipHop hier nur noch als Basis, auf der K'Naan nichts unversucht lässt und dem somit ein sehr vielschichtiges und ganz und gar nicht beliebiges Album gelungen ist. Geblieben ist das Thema Somalia, seine Heimat, die er 1991 mit dem letzten Linienflug Richtung New York verlassen hat. Die Schrecken des Bürgerkrieges und das Leben als Kind in der gefährlichsten Stadt der Welt Mogadischu verarbeitete er schon auf dem ersten Album The Dusty Foot Philosopher, dessen reduzierte und gleichermaßen erschütternde Liveversionen mit dem Livealbum The Dusty Foot On The Road veröffentlicht wurden. Troubadour klingt optimistischer und ist deutlich bunter, was sicher auch an der Gästeliste liegt. Neben dem bereits eingangs erwähnten Kirk Hammett gibt es u.a. noch Auftritte von Damian Marley, Adam Levine (Maroon 5), Mos Def und Chubb Rock. Dies führt u.a. zu einer erstaunlich unkitschigen Friedenshymne wie Wavin' Flag oder zu einem Uptempo Stück wie Bang Bang, bei dem Adam Levine den Refrain übernommen hat. Seiner alten Heimat Somalia und seiner neuen Heimat Amerika huldigt er mit den beiden jeweils gleichnamigen Stücken während Take A Minute mit seinem großartigen Refrain am Beispiel von Nelson Mandela und Mahatm Ghandi u.a. zeigt, was wahre Größe ist. 15 Minutes Away erläutet schließlich die Vorzüge von Western Union und der Tatsache, dass man innerhalb kürzester Zeit Geld um die ganze Welt schicken kann was von vielen im Ausland lebenden Afrikanern genutzt wird, um die Familien zu Hause zu unterstützen. Das soulige und epische People Like Me am Ende des Albums handelt von Menschen, die ähnliches durchmachen oder durchgemacht haben wie K'Naan selbst: "Heaven, is there a chance that you could come down and open doors to hurtin people like me", ein schöner Schlusspunkt eines famosen Albums.

Die Aufnahmen zu Troubadour fanden übrigens im Haus von Bob Marley statt, was einen positiven Einfluss auf die Sessions ausgeübt haben dürfte. Die 14 Stücke verschmelzen einerseits perfekt zu einer Einheit und doch hat andererseits jedes für sich genommen eine ganz eigene Klasse. Somit kann der Albumtitel durchaus auch musikalisch Verstanden werden: ein Troubadour zwischen den Stilen.

Mittwoch, 1. April 2009

Victor Démé - s/t

In seiner Heimat Burkina Faso ist Victor Démé schon seit ungefähr 30 Jahren ein bekannter Sänger und Musiker. Trotzdem veröffentlichte er erst jetzt sein internationales Debütalbum, ein Album, auf dem lokale Mandingo Traditionen ebenso Platz finden wie Blues oder Flamenco. Seine musikalische Karriere begann Démé bei seinem Vater in Abidjan mit Auftritten in den örtlichen Clubs. 1988 kehrte er in seine Heimat zurück und gewann diverse Preise und entwickelte sich so zu einem bekannten und beliebten Künstler. Dennoch wurde bei Auftritten in Clubs oft von ihm verlangt, bekannte Songs von Salif Keita oder Mory Kanté zu singen. Glücklicherweise hielt Démé jedoch an seinen eigenen Kompositionen fest und traf im Jahr 2005 auf Camille Louvel, der ihm eine dauerhafte Anstellung in dessen Ouagajungle Club in Ouagadougou verschaffte wo er in der Folge mehrere Auftritte pro Woche haben sollte. 2007 schließlich wurde mit Hilfe des Journalisten David Commeillas das Chapa Blues Label gegründet, um Démés Musik vermarkten zu können, was gleichzeitig auch der Startschuss für die Arbeiten am Debütalbum war. Die Aufnahmen fanden in einem kleinen und improvisierten Studio in Ouagadougou statt, in dem lediglich ein 16-Spurgerät zur Verfügung stand.

Die zumeist akustischen Songs des Albums, zu denen Victor Démé neben Gesang auch Gitarre beisteuert, sind eine einzigartige Mischung aus Folkblues Melodien und Mandingo Balladen, die hier und da mit Latintupfern wie Salsa oder Flamenco versehen sind. Zur musikalischen Umsetzung der oft melancholischen Stücke reichen zumeist akustische Gitarren und Percussion und ab und zu noch ein Piano und in Deni Kemba erklingt traurig aus dem Hintergrund eine einsame Trompete. Und trotz dieser vermeintlich eher westlichen Instrumentierung klingt das Album im Kern doch durch und durch westafrikanisch, die Verwandschaft zum Nachbarn Mali ist nicht zu überhören. Und so gelingen Victor Démé mehr als ein Dutzend meist einfühlsamer, atmosphärisch dichter Songs, die durch seinen wunderbaren Gesang eine poetische Note erhalten. Und wem die traditionellen Instrumente fehlen, der dürfte bei den letzten beiden Stücken auf seine Kosten kommen: 2 traditionelle Mandingo Stücke, die mit Balafon, Ngoni und Kora eingespielt wurden und die merklich flotter daherkommen als der Rest des Albums und somit in Kontrast dazu stehen. Ein Kontrast aber, der alles andere als störend ist. Vielmehr hätte ich gerne noch mehr davon gehört, vielleicht beim nächsten Album. Nichtsdestotrotz ist dieses Album ein weiteres Highlight im noch jungen Jahr und man darf auf Victor Démés zukünftige Aktivitäten gespannt sein.

In England und Frankreich schon letztes veröffentlicht, wurde das Album mehrfach ausgezeichnet, u.a. auch als Album des Jahres und das sicher nicht zu Unrecht. Eine Empfehlung!

(Chapa Blues / 2009)

Donnerstag, 19. März 2009

Staff Benda Bilili - Très Très Fort

Ein Juwel aus dem Herzen Afrikas ist dieses Album, das seinem Titel voll und ganz gerecht wird. Und auch als Hörer ist man gleichermaßen überwältigt von Anmut und Schönheit dieser Musik einerseits und ihrer Tanzbarkeit andererseits. Was diese Gruppe von Straßenmusikern aus Kinshasa hier zaubert, ist schlicht und ergreifend nicht von dieser Welt. Im Kern bestehend aus 4 Sängern und Gitarristen sowie dem 17-jährigen, ehemaligen Straßenkind Roger Landu, der mit seinem selbst entwicke^lten und gebauten Instrument Satonge nicht unerheblich am Sound der Band beteiligt ist, spielt diese Band basierend auf der kongolesischen Rumba eine ganz eigene Musik, die u.a. Son mit Funk und Soul sowie lokalen Spielarten kombiniert.

2 größere Gruppen finden sich auf Kinshasas Straßen. Zum einen die körperlich Behinderten, die mit ihren Tricycles, das sind 3-rädrige und motorisierte Rollstühle, unterwegs sind und zum anderen die Straßenkinder, die sog. Sheges, die oft vor der Gewalt in ihren Familien geflohen sind. Beide Gruppen profitieren voneinander und so kommt es nicht von ungefähr, dass der 17-jährige Roger von einem der Sänger adoptiert wurde. Sein selbstgebautes Instrument, die Satonge, besteht im Grunde aus einer Blechdose, an der ein Holzbogen angebracht ist, auf den eine einzelne Gitarrensaite gespannt wird. Und trotz seiner Einfachheit ist Roger ein wahrer Virtuose an diesem Instrument, und sorgt mit Melodien und wunderbaren Soli für einen unverwechselbaren Sound, den man gleich im ersten Stück Moto Moindo eindrucksvoll demonstriert bekommt. Es handelt davon, dass sich Afrika in erster Linie selbst helfen muss und auf falsche Entwicklungshilfe gerne verzichten kann und ist angelegt als klassisches Rumbastück inklusive Sebene, also jenem Break, der etwa in der Mitte des Stücks in ein Uptempo Finale mündet. Polio ist dagegen eine herzzereißende Rumbaballade mit gleich zwei Botschaften: zum einen fordert es Eltern auf, ihre Kinder gegen Polio (Kinderlähmung) impfen zu lassen, zum anderen zeigt es, dass man es trotz der Behinderung zu etwas bringen kann, was man am Beispiel der Musiker deutlich nur allzu deutlich sieht. Je t'aime dagegen basiert auf einem hypnotischen Funkrhythmus und demonstriert die Vielseitigkeit der Band die auch schon mal richtig und auf ihre völlig eigene Art losrocken kann, wie Sala Mosala trefflich zeigt.
Die Musiker leben allesamt in der Gegend des zoologischen Gartens in Kinshasa und dort wurde auch der größte Teil des Albums aufgenommen. Die Hintergrundgeräusche hat man meist gar nicht erst entfernt, was auch nicht weiter stört sondern den einzigartigen Charakter dieses Album eher noch zusätzlich unterstreicht.

Auf der Crammed Page finden sich 4 sehenswerte Videos (auch auf CD enthalten), darunter ein Trailer zum Film von Renaud Barret und Florent de la Tullaye über die Band, die im Observer von Damon Albarn vor kurzem bereits jetzt zur besten Newcomer Band 2009 gekürt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass er damit am Ende Recht behalten dürfte, ist ziemlich hoch. Und selbst wenn es um den Titel "Album des Jahres" geht dürfte Très Très Fort ganz vorne mit dabei sein. Très Très Fort!

(Crammed / 2009)

Donnerstag, 12. März 2009

Daby Touré & Skip McDonald - Call My Name

Warum nur eine EP und kein ganzes Album? Diese durchaus berechtigte Frage stellt sich nach dem gerade mal knapp 26 minütigen Vergnügen. Dabei zeigt diese Kollaboration, dass beide wie füreinander geschaffen zu sein scheinen. Daby Touré, der Singer/Songwriter aus Mauretanien und Skip McDonald, der Bluesman aus Dayton/Ohio, besser bekannt als Little Axe. Zu hören gibt es 3 Songs von Touré, 2 von McDonald und das Titelstück als Gemeinschaftsarbeit. Beide Musiker steuern neben dem Gesang, Touré sowohl in Englisch als auch in seiner Muttersprache, auch Gitarre, Bass und Schlagzeug bei. Zusätzlich werden sie noch vom Schlagzeuger Keith LeBlanc unterstützt. Mehr braucht es dann auch nicht, um dieses kurze aber nicht minder intensive Werk zu zelebrieren. Gleich das erste Stück, Daby Tourés famoses Past Time, zieht einen in den Bann des Albums, der bis zum Schluss anhält. Schön zu hören sind hier die Gegensätze im Gesang der beiden Protagonisten. Dabys eher sanfte Stimme in den Strophen und Skip als rauer Gegenpol im Refrain. Ein magisches Stück, das auch auf Toure´s letztem Album, dem formidablen Stereo Spirit zu den Highlights gezählt hätte. Aber auch die beiden McDonald Tracks sind gleichermaßen superb, zum einen das epische Sinners mit seinen schillernden Gitarren, mächtigen Percussion und Tourés griotartigem Klagegesang, zum anderen eine Neubearbeitung von Time Has Come. Das gleichermaßen flotte wie ergreifende Will You Call My Name? ist den Straßenkindern Afrikas gewidmet und kombiniert mit unbeschwerter Leichtigkeit Tradition und Moderne, ein Umstand, der im Prinzip für das gesamte Album Gültigkeit hat. Bitte mehr davon!

(Real World Records / 2009)

Mittwoch, 4. März 2009

Oumou Sangare - Seya

Oumou Sangare, die gerne auch als "The Songbird of Wassoulou" bezeichnet wird, ist musikalisch bis heute ihrer Heimat im Südwesten Malis treu geblieben. Bereits mit ihrem ersten Ende der 80er in Abidjan produzierten und zunächst nur als Kassette erhältlichen Album Moussolou konnte die Sängerin weit über die Grenzen Malis hinaus einen Erfolg landen, auch dank unzähliger Raubkopien. So wurde man auch beim englischen Label World Circuit auf sie aufmerksam und nahm sie, auch Dank der Erfolge ihres Landsmannes Ali Farka Toure, unter Vertrag und veröffentlichte Moussolou noch einmal für den internationalen Markt. Zwei weitere Alben erschienen bis Mitte der 90er ehe eine erste längere Pause folgte, was aber nicht bedeutet, dass sie in jener Zeit untätig gewesen wäre. So produzierte sie für ihre Heimat weiterhin Kassetten, von denen einige Stücke auf der 2003 erschienen Werkschau Oumou zu hören sind. Nach weiteren 6 Jahren erschien nun vor kurzem das lange erwartete 4. Album Seya.

Seya ist ein bemerkenswertes Album geworden, ein Album, das die Messlatte für kommende Veröffentlichungen in diesem Jahr recht hoch legt. In der Tat ist es immer wieder erstaunlich, welche musikalischen Juwelen aus Mali kommen und dabei klingt Oumou Sangare so modern wie nie zuvor, ohne jedoch auf ihre Wassoulou Traditionen zu verzichten. Anders gesagt, Seya ist modern genug, um vor einem heimischen Publikum zu bestehen, aber eben auch traditionell genug, um ein europäisches Publikum in Verzückung zu versetzen. Einen ersten Eindruck bekam man schon von der superben Vorabsingle des Titelstücks, bei dem sie von Pee Wee Ellis am Saxofon unterstützt wird und das die typischen Wassoulou Rhythmen mit Funk kombiniert. Eine äußerst gelungene Kombination, die sich auch im ersten Stück des Albums Sounsoumba findet und bei dem der Funkgroove noch durch ein Balafon verstärkt wird. Sukunyali, eine Hommage an die maurische Minderheit in der Soninké Region, taucht dann tief ein in die Wassoulou Region. Begleitet von Bassekou Kouyate an der Ngoni wird dieses Lied auch in der Soninké Sprache gesungen. Es ist schon beeindruckend, wie Sangare hier verschiedenste Stile auf Basis der eigenen Traditionen kombiniert. So ist Kounadya eine Art Wüstenreggae inklusive Hammond Orgel und feinen Licks auf der E-Gitarre. Sangare erweist sich übrigens nicht nur als hervorragende Sängerin sondern auch als vorzügliche Songwriterin und greift nur einmal auf ein altes Wassoulou Lied zurück. Donso ist mit seinen seelenvollen Streichern und den flirrenden Gitarren ein episches und symbolbehaftetes Stück, bei dem die Körperteile eines erlegten Tieres sinnbildlich für Hilfestellungen in verschiedenen Lebenslagen stehen. In ihren eigenen Texten dagegen geht es oft um die Stellung der Frau in einer nach wie vor von Männern dominierten Gesellschaft. So richtet sie sich im Uptempo Stück Wele wele wintou gegen Zwangsheirat. Selbst vom eigenen Vater in ihrer Kindheit wegen einer anderen Ehefrau im Stich gelassen, setzt sie sich auch verstärkt gegen Polygamie ein und macht dies auch immer wieder zum Thema ihrer Songs.
Iyo djeli wird ein weiteres mal auf dem Album durch soulige Streicher veredelt, basiert aber im Gegensatz zu Donso auf treibenden Percussion Rhythmen. Im abschließenden Koroko wird sie schließlich von ihrem neuen Labelkollegen Tony Allen am Schlagzeug begleitet und zeigt, dass auch Afrobeat kein Problem in ihrem musikalischen Kosmos ist. Zwei Sabartrommler verpassen dem Stück gegen Ende gar senegalesisches Flair.

Ein vielschichtiges und abwechslungsreiches und dennoch homogenes Album ist Seya geworden. Auch das Artwork kann sich sehen lassen und zeigt, dass man sich im Hause World Circuit nach wie vor größte Mühe gibt. Dazu gehört auch, dass sämtliche Texte sowohl in Englisch als auch in Französisch vorliegen. Ein Rundumglücklichpaket also und Maßstab für weitere Veröffentlichungen in diesem Jahr.

(World Circuit / 2009)

Dienstag, 17. Februar 2009

U-Cef - Halalwood

Am Anfang war Hollywood, dann gab es Bollywood und nun haben wir also Halalwood. Und dabei hat nan Nollywood ganz vergessen, denn die nigerianische Filmschmiede ist mittlerweile die drittgrößte der Welt. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit Film hat Halalwood dann auch nicht viel zu tun, vielmehr ist es das Ziel von U-Cef, seiner Heimat Marokko ein musikalisches Denkmal zu setzen und ihr somit einen Platz auf der musikalischen Weltkarte zu sichern. Basierend auf der Musik der Gnawa, einer ethnischen Minderheit in Marokko, gelingt hier die Verschmelzung verschiedenster Stile zu einer modernen, meist urbanen Musik, die Traditionen dennoch nicht scheut. Dabei agiert U-Cef in erster Linie als Produzent, Schlagzeuger und Percussionist, was ein gleichermaßen lange wie bunte Gästeliste zur Folge hat. So ist das tranceartige Hilal eine Gemeinschaftsarbeit mit Steve Hillage und dessen Frau Miquette Giraudy, die hier als Mirror System in Erscheinung tritt. Boolandrix legt dagegen mit knalligen Beats und verzerrten Gitarren die marokkanische Seite eines Jimi Hendrix frei, dessen Part hier von Bizmatik übernommen wird, der darüber hinaus auch die Raps beisteuert. Ouddamak ist dagegen ein Bastard aus orientalischem Marktplatz und Housemusik zu dem Natacha Atlas ihren Gesang beigesteuert hat. Bemerkenstwert ist auch die Zusammenarbeit mit Damon Albarn im Stück Stick, den U-Cef auf einer Flugreise nach Marokko näher kennengelernt hat. Albarn steuert hier neben Gesang auch Gitarre, Bass und Melodika bei und sorgt zusammen mit U-Cefs mächtigem Rhythmusfundament für ein faszinierendes Klangerlebnis. So unterschiedlich die einzelnen Stücke z.T. auch klingen mögen, die gemeinsame Grundlage, die Musik der Gnawa ist doch allgegenwärtig, was sich auch durch den Einsatz traditioneller Instrumente wie den Lauten Sintir und Gimbri auszeichnet. Die typische Trommel Tbel wird in MarhaBahia mit Sambatrommeln und Pfeifen kombiniert. Ya Rayah bekommt den Untertitel Urban Fix und ist ein Remix von Rachid Tahas Version auf dessen Album Diwân. Urban Fix trifft es in der Tat recht gut, denn durch den Beat bekommt das eher traditionelle Rai Stück einen R'n'B Anstrich. Auf Mo' Rock'n'Roll sollte ursprünglich Robert Plant singen, der auch schon zugesagt hatte. Jedoch war dessen Wunsch, dies mit einer marokkanischen Sängerin zu tun, nur schwer erfüllbar. 2 marokkanischen Diven sagten kurzfristig ab, da ihnen alles zu schnell ging und bis U-Cef endlich Mbarka verpflichten konnte, war Plant schon mit Alison Krauss auf Tour, so dass er keine Zeit mehr hatte. Mit Justin Adams an der Gitarre ist aber immerhin sein Gitarrist mit dabei und der Titel hält, was er verspricht: ein wildes orientalischen Rock'n'Roll Stück.
Aufgenommen wurde Halalwood hauptsächlich in U-Cefs Studio in London, aber auch in Paris, Casablanca, Marrakech und im Atlas Gebirge. Über 40 Musiker und Sänger aus unterschiedlichen Nationen waren an den Aufnahmen beteiligt und sorgen für eine aufregende Mischung aus westlicher Urbanität und nordafrikanischer Tradition.

(Crammed / 2008)