Dienstag, 23. Mai 2006

Maryam Mursal - The Journey

Einst war sie die Diva Somalias jedoch musste sie das Land wegen des Bürgerkrieges verlassen. Das Land, in dem sie schon in den 80er Jahren ein Star war, und dessen Regierung mit Veröffentlichung ihrer Single 'Ulimada', eine Kritik am damaligen Staatschef Mohammed Siad Barre, verboten wurde. Sie war gezwungen, ihre Musikkarriere zunächst aufzugeben und als Taxifahrerin zu arbeiten. Der beginnende Bürgerkrieg veranlasste sie 1991 dann dazu, sich mit ihren 5 Kindern auf eine beschwerliche Flucht zu begeben, die 7 Monate dauern sollte und schließlich in der dänischen Botschaft in Dschibuti endete. Später lebte sie in Dänemark und 1998 entstand dieses Album für Peter Gabriels Real World Label. Gabriel selbst trat neben einer Reihe dänischer Musiker, die ein modernes Klangfundament legten, als Backgroundsänger in Erscheinung. Doch auch die Tradition kommt hier nicht zu kurz, so wirkten neben Musikern ihrer ehemaligen Band Waaberi eine Reihe von Gastmusikern mit, die mit Percussion, Oud und diversen Streichinstrumenten arabisch-orientalische Akzente setzten. Der Spagat zwischen Moderne und Tradition wirkt sehr abwechslungs- und ideenreich und Mursals Stimmer klingt dabei gar nicht divenhaft sondern angenehm rauchig und dunkel. Das Eröffnungsstück 'Lei Lei' basiert auf einem funkigen Rhythmus und ist mit einer prägnanten Melodie ausgestattet und man hat das Gefühl, man befindet sich auf einer Reise mit dem fliegenden Teppich über Oasen, Sanddünen und Minarette, ein Eindruck, der durch ein Yma-Sumac-Bläser-Sample im Mittelteil noch verstärkt wird. Aber auch programmierte Beats funktionieren in diesem Kontext ausgezeichnet, wie im atmosphärischen und 10 Minuten langen 'Hamar' zu hören ist, eine Kombination aus Drum&Bass und arabischen Gesängen. In den restlichen Stücken sorgt jedoch die ausgezeichnete Band für Wohlklang und das Herzstück des Albums ist das epische 'Qax', das einmal mehr die Schrecken des Bürgerkrieges und die damit verbundene Flucht beschreibt, ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das ganze Album zieht das aber gleichzeitig die Hoffnung auf einen Frieden in Somalia nie aufgibt.
Die Musik klingt zwar absolut zeitgemäß, verzichtet aber erfreulicherweise darauf, bemüht trendy sein zu wollen und führt stattdessen die islamisch geprägte, somalische Volksmusik gekonnt in die Moderne, ohne sich dabei bei einem westlichen Publikum anzubiedern.

(Real World / 1998)

Freitag, 12. Mai 2006

Yandé Codou Sène & Youssou N'Dour - Gainde (Voices from the heart of Africa)

Wer Youssou N'Dour vor allem wegen seines Welthits 7 Seconds im Duett mit Neneh Cherry schätzt, könnte mit diesem Album so seine Problem bekommen, wer jedoch seine internationalen Veröffentlichungen schon immer zu sehr an europäische Hörgewohneiten angelehnt sah, für den scheint dieses Album wie geschaffen. Mit dem Erfolgsalbum 'Wommat' hat das nicht viel gemeinsam, denn Youssou N'Dour erfüllte sich mit diesem Album einen Traum. Mit einem seiner großen Idole, der senegalesischen Diva Yandé Codou Sène nahm er ein traditionelles Album auf, bei dem er zwar auch als Sänger in Erscheinung tritt, aber hauptsächlich als musikalischer Direktor und Produzent tätig war. Der Fokus liegt klar auf Yandé Codou Sène, die den Serer angehört, einer kleinen Bevölkerungsgruppe im Senegal. Unterstützt wird sie dabei von ihrem nur aus Frauen bestehenden Chor und einem Ensemble aus Trommlern, die Instrumente mit so klangvollen Namen spielen wie Kung, Thiol, Lamb, Baal oder Ndër. Die Musik ist meist auf das Nötigste reduziert, auf Call and Response Gesänge zwischen Sène und ihrem Chor unterlegt mit aufregenden Trommelrhythmen wie z.B. im Titelstück, ein Lobgesang an die Löwen, die im Senegal zwar schon lange ausgestorben dort aber immer noch Symbol für Kraft und Stärke sind. Im folgenden Léopold Koor Joor gesellt sich noch die lokale Geige Riti dazu und hat die schöne Tradition, dass wenn man Wohlwollen gegenüber einer Person zum Ausdruck bringen möchte nahe Verwandte preist. Im konkreten Fall handelt es sich um die Schwester des Präsidenten. Sama Guent Guii ist dann N'Dours erster Einsatz, eine atemberaubend schöne und sehr eindringlich gesungene Ballade, nur durch eine Akustikgitarre begleitet. Youssou singt davon, dass man sein Schicksal in Gottes Hand und nicht in die anderer Menschen legen sollte. Lees Waxul ist das erste Duett der beiden Hauptakteure und hat beinahe schon hymnischen Charakter. Nur durch Keyboards begleitet, was im Kontext des Albums erstaunlich gut funktioniert, ist das Stück eine Huldigung an Sènes Marabut und ihre Religion. Das Instrumentalstück Riti Fa Tama ist ein Dialog zwischen der ein- oder zweisaitigen Geige Riti, deren Steg auf einem Kalabassekorpus befestigt ist und der Tama, besser bekannt als Talking Drum, was daher rührt, dass diese Trommel bestens dazu geeignet ist, Sprache darzustellen. Sie ist beidseitig mit Echsenhaut bespannt und wird beim Spielen unter die Achselhöhlen gepresst, die Stärke des Pressens bestimmt dabei die Tonhöhe. Im Stück 'Samba' wagt N'Dour ein Klangexperiment, seine Stimme erklingt hier in 3 verschiedenen Tonhöhen und wird von treibenden Trommelrhythmen begleitet. Es ist ein Loblied an die noblen Wolof, die sich in die Gemeinschaft einbringen und die Schwachen stärken. Das abschließende Djamil ist einer der beliebtesten Rhythmen der Super Etoile de Dakar, hier interpretiert von der Gruppe Singsing Rhythme, den wohl besten Sabar Spielern Dakars. Die Sabar ist ein mit Ziegenfell bespannter Baumstamm, der unten offen oder geschlossen ist und mit der Hand oder einem Stock geschlagen wird. Diese aufregenden Rhythmen, die einem perkussivem Wirbelsturm gleichkommen und bei denen sich im zweiten Teil noch die Riti dazugesellt beschließen dieses traumhaft schöne Album, das 1995 als Nummer 29 der World Network Serie des Frankfurter Network Labels erschienen ist.

(Network / 1995)

Mittwoch, 10. Mai 2006

Orchestra Baobab - Pirates choice

Der Titel 'Pirates choice' ist eine Anspielung auf die Beliebtheit des Orchestra Baobab denn keine andere Band konnte im Senegal mehr Raubkopien auf sich vereinigen. Die Anfänge dieser Band, die sich nach einem noblen Club in Dakar benannt hat, geht bis in die 60er Jahre zurück. Schon damals waren sie, wie nur wenige ihrer Mitstreiter, mit den besten Instrumenten ausgestattet und gaben fast jeden Abend ein Konzert, streng nach der Devise "nur wer viel übt und live auftritt hat auch Erfolg'. Dieser ließ dann auch nicht lange auf sich warten, denn das Orchestra Baobab zählte zu den beliebtesten Bands Westafrikas. Inspiriert durch kubanische Tanzorchester kombinierten sie deren Stil mit westafrikanischen Rhythmen und zählten somit zu den Pionieren des sogenannten Afro-Salsa. Dabei verzichtet die Band weitgehend auf traditionelle Instrumnente und beschränkt sich meist auf Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussion und Saxophon.

Bei 'Pirates choice' handelt es sich um Session-Aufnahmen, live um Studio eingespielt, was der Musik viel Raum für Improvisationen lässt, so ist kein Stück kürzer als 6 1/2 Minuten. Langeweile kommt dabei aber niemals auf, denn die Band versteht es die meist langsamen und entspannten Stücke derart lässig aus dem Handgelenk zu schütteln, als gäbe es nichts Einfacheres. Neben dem meist eindringlichen Gesang, die Band hatte immerhin 5 Sänger die meist eine Mischung aus spanisch und Wolof sangen, sind es vor allem die Gitarre und das Saxophon, welche hier eine führende Rolle spielen. Manche Stücke sind Überarbeitungen kubanischer Vorlagen, so z.B. 'Utru horas', welches seinen Ursprung in Guinea-Bissau hat. Hier fallen sofort die klirrenden, beinahe spacigen Gitarrensoli auf, die sich kongenial mit dem Saxophon abwechseln und quasi die Marschroute für das ganze Album festlegen. Ein Album, dem es aber auch an Abwechslung nicht mangelt, so klingt 'Coumba' wie ein französicher Popsong auf der Basis eines Rumba Rhythmus. 'Toumaranke' lässt dank der Samba-Rhythmen gar brasilianische Karnevalsstimmung aufleben was in völligem Gegensatz zum Text steht, in dem es um Heimweh geht. Das abschließende 'Balla daffe' kombiniert einen Reggae-Rhythmus mit einer einprägsamen Saxophonmelodie.

Ursprünglich wurden die Sessions im Senegal nur als Kassette veröffentlicht, 6 Stücke daraus später dann als LP in Frankreich und 1989 dann erstmals auf CD. Die kompletten Sessions, also alle 12 Stücke, wurden erst 2001 auf CD veröffentlicht. Die Band selbst brach nach den Aufnahmen schnell auseinander und fiel in einen fast 20 Jahre dauernden Dornröschenschlaf, ehe sie 2002 beinahe in Originalbesetzung reanimiert wurde und ein neues Album mit dem Titel 'Specialist in all styles' aufnahm.

(World Circuit / 2001)