Donnerstag, 18. September 2008

Issa Bagayogo - Mali Koura

Zugegeben, moderne Musik aus Mali hat mich bislang nicht überzeugt. Zumindest, wenn man die Verwendung elektronischer Elemente als modern bezeichnen möchte. Auch Issa Bagayogo stand ich zunächst mehr skeptisch gegenüber und nach dem ersten Hören hinterlässt Mali Koura auch kaum einen bleibenden Eindruck. Aber irgendetwas ist dran an dieser Mischung aus eleganten Clubgrooves und traditionellem Instrumentarium.

Bereits mitte der 90er Jahre versuchte sich Bagayogo in seiner Heimat an ersten Aufnahmen ohne damit jedoch auf ein breiteres Interesse zu stoßen. Seinen Unterhalt verdiente er sich als Busfahrer. Nachdem er, als Folge einer Drogenabhängigkeit, Job und Frau verloren hatte, zog er sich zunächst auf das Land zurück um gegen Ende des Jahrzehnts zurück nach Bamako zu kehren und einen zweiten Anlauf als Musiker zu starten. Dieses Mal gelang es ihm mit einem professionellen Produktionsteam dem u.a. der Franzose Yves Wernert angehörte, einen modernen Sound zu kreieren, der traditionelle Klänge mit Rock, Dub und Funk kombinierte. So wurde Issa Bagayogo zunächst zu einer nationalen Größe, die vor allem bei der Jugend sehr gut ankam und die ihm den Spitznamen Techno-Issa gab. Von dieser Bezeichnung sollte man sich allerdings nicht in die Irre führen lassen, mit dumpfen Eurodance hat diese Musik nicht das Geringste zu tun.

Mali Koura ist nun bereits das vierte Album Bagayogos, das erneut von Yves Wernert produziert wurde. Dabei wählte man dieses Mal eine neue Variante: die Basistracks wurden auf der Veranda von Wernerts Haus in Bamako mit traditionellen Instrumenten und Chören aufgenommen. Anschließend nahm Wernert die Bänder mit nach Paris und gab ihnen den Feinschliff. Das Ergebnis ist die Verschmelzung afrikanischer und europäischer Einflüsse und man gewinnt den Eindruck, es wäre nie anders gewesen. Das erste Stück Sebero, das mit einer simplen und doch effektiven Synthesizermeldoie daherhommt, gibt die Richtung vor. Elegant dahinfließende Grooves treffen auf traditionelle Rhythmen und werden untermalt mit jazzigen Bläsern aber auch Flöten und einheimischen Violinen, dazu kommt noch der lässige Gesang Issa Bagayogos. In diesem Kontext funktionieren aber auch ruhigere Stücke wie Tcheni Tchemakan, das auf Beats verzichtet und bei dem nur ein paar Percussion den Rhythmus bestimmen. Zudem sorgen feine Gitarrenlicks und zurückhaltende Bläser für ein jazziges Ambiente. Dunu Kan setzt ebenfalls auf Jazz hier jedoch gepaart mit einem Afrobeat-Gebläse. Namadjidja wiederum sorgt mit seinen Frauenchören für eine eher traditionelle Atmosphäre.

Mali Koura ist sicher kein Album, dass einen sofort begeistert, es entwicklet sich eher langsam aber stetig. Dafür sorgen eine Reihe feiner Melodien und eine Umsetzung die zeigt, dass Musik aus Mali modern klingen kann, ohne sich bei einem internationalen Publikum allzu sehr anzubiedern. Well done, Techno-Issa!

(Six Degrees / 2008)

Freitag, 12. September 2008

Toumast - Ishumar

Ein weiteres Highlight des Jahres 2007 aus dem Hause Real World. Und im Gegensatz zu Daby Tourés aktuellem Album gibt es hier auch englische Übersetzungen und kurze Linernotes.

Im Kern handelt es sich bei Toumast um ein Tuareg Duo aus dem Niger, bestehend aus dem Gitarristen, Sänger und Songschreiber Moussa Ag Keyna und der Sängerin Aminatou Goumar, die auch Percussion und Gitarre spielt. Die Tuareg sind praktisch über ganz Westafrika verteilt, von Mali über Burkina Faso und Niger bis in den Norden nach Algerien und Libyen. Nach dem Ende der Kolonialzeit wurde ihr Territorium auf jene Länder verteilt, in denen sie meist als Minderheit unterdrückt wurden. Hinzu kam die Landflucht infolge von Dürrekatastrophen, viele der Nomaden wurden sesshaft und ließen sich in den Städten nieder auf der Suche nach Arbeit, die zumeist erfolglos blieb. Auch davon handelt das erste Album Ishumar, das übersetzt Arbeitsloser bedeutet. Wie viele andere Tuareg auch, bereitete sich Moussa Ag Keyna in Libyen auf den Befreiungskampf vor, landete jedoch schließlich verletzt in Frankreich, wo er sein Gewehr in eine Gitarre umtauschte. Als im Jahr 1995 die Befreiungsfront der Tuareg und die Regierung des Niger ein Friedensabkommen schlossen, plante Moussa Ag Keyna die Rückkehr in seine Heimat doch nur 3 Monate nach der Unterzeichnung wurden 12 seiner Verwandten umgebracht, was eine Rückkehr unmöglich machte. Das melancholische Ammilana, in dem Aminatou mit engelsgleicher Stimme singt, handelt davon, vom Verrat und der Unfähigkeit der Regierung. Andere Stücke, wie z.B. Innulamane geben einen nostalgischen Einblick in das Nomadenleben, das so heute nicht mehr möglich ist. Es handelt von der Freiheit, vergleichbar mit der eines Falken, der über die Wüste hinwegfliegt. Wie andere Tuareg Ensembles werden auch Toumast zunächst einmal mit Tinariwen aus dem benachbarten Mali verglichen. Ein Vergleich, der zwar durchaus angebracht ist, der aber auch zeigt, dass Toumast zumindest musikalisch einen etwas anderen Weg einschlagen. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat Dan Levy, der als Multiinstrumentalist einen wichtigen Beitrag zum Album leistet. So spielt er neben Bass, Keyboards und Fender Rhodes im Liebelied Tallyatidagh auch ein Saxophonsolo, was im harschen Wüstensound seine ganz eigenen Reize entwickelt. Aber auch den reduzierten, nur mit E-Gitarre vorgetragenen Blues beherrscht Moussa Ag Keyna, wie in Ezeref zu hören ist. Ansonsten aber klingt Ishumar weit weniger blueslastig als die Konkurrenz aus Mali. Durch den verstärkten Einsatz von Percussion ist die Musik rhythmischer, beinahe schon Rock'n'Roll zumindest aber das Rollen beschreibt die Musik sehr gut. Hinzu kommen Elemente von Funk und Jazz und dazwischen finden sich immer wieder feine und ungewöhnliche Gitarrenmelodien die auch für Abwechslung sorgen. Und wenn im Mittelteil von Maraou Oran plötzlich ein kurzer Rap auftaucht, der ganz und gar nicht wie ein Fremdkörper wirkt, dann zeigt das, dass auch die Moderne nicht ganz außer Acht gelassen wurde.

(Real World Records / 2007)

Freitag, 5. September 2008

Daby Touré - Stereo Spirit

Besser spät als nie, hätte ich dieses Album schon letztes Jahr gehört, mit großer Wahrscheinlichkeit wäre es bei den besten Alben 2007 ganz mit vorne dabei gewesen.

Die Wurzeln des in Mauretanien geborenen und aufgewachsenen Daby Touré liegen in Mali. 4 Brüder lebten in einem Dorf in der Nähe von Kayes als Schuhmacher, doch als der Bestand an Krokodilen stark zurückging, sahen sie keine Zukunft mehr und verliesen die Gegend. Einer von ihnen, Daby Touré, ließ sich in der Casamance Region im südlichen Senegal nieder und hatte mehrere Frauen und viele Kinder, die allesamt mit einem außerordentlichen musikalischen Talent gesegnet waren. Eines dieser Kinder, Hamidou, wuchs bei einem Onkel in Mauretanien auf. Hamidou ist der Vater des jungen Daby Touré, der nach seinem Großvater benannt wurde, und auch der große Bruder von Ismaila und Sixu Tidiane Touré, welche Ende der 70er Jahre die Band Touré Kunda gründeten und der er 1989 für ein paar Jahre beitrat. Mittlerweile in Paris lebend, wendete sich der junge Daby Touré zunehmend und gegen den Willen des Vaters der Musik zu. Er spielte kleinere Gigs mit Coverband und gründetet schließlich mit seinem Cousin Omar das Duo Touré Touré und experimentierte mit Jazz und afrikanischer Musik und veröffentlichte 1999 das Debütalbum Laddé. Nach weiteren Jahren der musikalischen Experimente erscheint 2004 das Solodebüt Diam, das er zusammen mit Cyrille Dufay eingespielt hat. Diam bot zeitgenössischen und durchaus tradionsbewussten Pop

Im Herbst 2007 wurde das 2. Album Stereo Spirit veröffentlicht und wenn man es nicht besser wüsste, würde man nicht auf die Idee kommen, dass Touré aus Mauretanien stammt. Traditionelle Elemente sucht man hier vergeblich, einzig die Sprachen, in denen Touré singt (u.a. Wolof), verbreiten ein Flair des Unbekannten. Hinzu kommt, dass Touré dieses Album nahezu im Alleingang eingespielt hat. Er hat alle Songs geschrieben, sämtliche Instrumente eingespielt und auch gleich noch die Produktion übernommen. Herausgekommen ist ein Album, das einem die Sprache verschlägt, denn es stimmt hier schlicht und ergreifend alles. Ein Dutzend feinster Songs auf höchstem Niveau umgesetzt, da stört es dann auch nicht weiter, dass die traditionellen Elemente fehlen und Touré auf einen internationalen und doch auch sehr eigenen Sound setzt, bestehend aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein paar Percussion. Hinzu kommt noch der Gesang, der ebenfalls nicht von dieser Welt zu sein scheint, eine Stimme, die einen direkt ins Herz trifft. Tourés Texte bestehen aus den unterschiedlichen Sprachen seiner Kindheit und Jugend wie Wolof, Soninké und Pulaar und werden hier und da auch schon mal mit englischen Zeilen versehen, was auch seinen Anspruch, die eigene Kultur mit der europäischen zu vermischen verdeutlicht. Touré selbst sieht sich selbst als Afropäer. Seine Songs sind durchweg sehr eingängig, verfügen aber dennoch über genügend Ecken und Kanten und gleich das erste Stück Kebaluso, das von der Einheit innerhalb eines Landes handelt, weißt den Weg für den Rest des Albums: eine Melodie, die einen nicht mehr loslässt, nur mit dem Nötigsten interpretiert. In Kiyé tauchen plötzlich spacige Effekte auf und wenn am Ende von Wasso doch noch dezent eine Talking Drum erklingt, ist die Heimat doch gar nicht mehr so weit. Einziger Kritikpunkt ist, dass sich das Real World Label bei der Gestaltung seiner Alben leider nicht so viel Mühe gibt, wie das die Konkurrenz zumindest teilweise tut. So fehlen z.B. die englischen Übersetzungen der Texte, die lediglich im Original abgedruckt sind. Leider ist mein Wolof nicht so gut, als dass ich irgend etwas verstehen könnte.

Stereo Spirit ist eines jener Alben, die beim ersten Hören vielleicht noch etwas unscheinbar wirken, die aber mit jedem weiteren Hörduchgang mehr und mehr ihre ganze Strahlkraft offenbaren. Inkommensurabel!

(Real World Records / 2007)