Freitag, 29. August 2008

Rajery, Ballaké Sissoko, Driss El Maloumi - 3 Ma (Madagascar, Mali, Maroc)

Auf den ersten Blick scheint es sich hier um ein allzu konstruiertes Projekt zu handeln, doch der Schein trügt. In einem bislang einzigartigen Projekt gelingt es diesen 3 Musikern, die unterschiedlichn musikalischen Traditionen ihrer Heimatländer zu einer wunderbaren Einheit zu verschmelzen.

Germain Randrianrisoa alias Rajery verlor bereits im Alter von 11 Monaten seine rechte Hand. Im Alter von 14 Jahren beschloss er, trotz seines Handicaps das Spiel der Valiha zu erlernen. Die Valiha ist das traditionelle Saiteninstrumnet auf Madagaskar. Das mit einer Zither vergleichbare Instrument besteht aus einem rundherum mit Saiten bespannten Bambusrohr. Zunächst hatte es Rajery nicht leicht und wurde wegen seines Handicaps auch verspottet. Aber er biss sich durch und entwickelte sich zu einem der besten Valiha Spielern des Landes. Er gründete die Band Akombaliha, die einem Valiha-Orchester gleichkam, spielte aber auch in kleineren Besetzungen und vermischte traditionelle Musik mit Jazz. Unter dem Namen Rajery veröffentlichte er bislang 4 Alben, zuletzt im Jahr 2007 Sofera auf dem französischen Label Marabi.

Ballaké Sissoko, geboren in einer Griot Dynastie in Mali, zählt neben Toumani Diabaté, mit dem er das Album New Ancient Strings eingespielt hat, zu den weltbesten Koraspielern. Er spielte mit dem in Mali angesehenen Ensemble Instrumental du Mali, begleitete viele einheimische Sängerinenn und arbeitete u.a. mit Taj Mahal.

Der Marokkaner Driss El Maloumi wurde 1970 in Agadir geboren. Es studierte arabische Literatur und besuchte die Staatliche Musikschule in Rabat. Sein Oudspiel ist nicht nur von westlichen und östlichen Einflüssen geprägt, sondern auch von den Berbern.

"Warum spielte der Oud noch nie mit der Kora zusammen, und die Valiha nie mit dem Oud? Ein Dialog zwischen unseren Kulturen ist nicht nur möglich, er wird uns auch alle bereichern. Unsere traditionellen Instrumente sind ein Symbol dafür, dass wir uns im Geiste vereinen können.", so die 3 Protagonisten über ihr gemeinsames Projekt. Was in einem Proberaum in Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, begann, entwickelte sich zu einer vorzüglichen Kombination unterschiedlichster Traditionen, die zumindest musikalisch gar nicht so fremd zu sein scheinen. Tatsächlich passen die 3 Instrumente perfekt zueinenader, sowohl im Zusammenspiel als auch in den solistischen Einlagen. Es geht um die Weiterentwicklung der jeweils eigenen Tradition, anhand der Verschmelzung mit anderen Traditionen. Das wird schon beim ersten Stück Anfass deutlich, das klingt, als würden die Musiker schon ewig miteinander spielen. Ballakes kristallklare Koraklänge treffen auf die klagenden Laute der Oud El Maloumis und den luftigen Klängen Rajerys Valiha. 3 Ma ist über weite Strecken ien Instrumentalalbum, nur bei einem Stück wird auch gesungen. Beim knapp 9 Minuten langen gleichermaßen majestätisch wie tranceartigen Wüstenblues Awal teilen sich die 3 Protagonisten nicht nur die Soli sondern auch den Gesang, so dass jeder eine Strophe singt. Das Titelstück dagegen ist fast schon Rock'n'Roll an dessen Ende Sissoko auf der Kalabasse seiner Kora den Rhythmus trommelt, während die anderen beite ihre Instrumente nur noch kurz anzupfen, grandios! Im darauffolgenden Kouroukanfouga kommt dagegen die melancholische Seite des Trios zum tragen, und man merkt, wie nahezu perfekt es ihnen doch gelingt, verschiedene Stimmungen einzufangen und musikalisch wiederzugeben. Jeder der Muisiker hat auf diesem Album auch ein Solostück, von denen mir vor allem El Maloumis Rania besonders gefällt, ein Stück, dass er seiner Tochter gewidmet hat. Ganz am Ende des Albums gibt es noch einen unbetitelten live aufgenommen Song, bei dem man noch einmal die ganze Spielfreude dieses Trios zu hören bekommt und wenn sie hier mit ihren Stimmen allerlei Unsinn anstellen, dann merkt man, dass hier auch der Spaß an der Sache nicht zu kurz gekommen ist. Ein gelungener Abschluss eines grandiosen Albums.

(Contre Jour / 2008)

Donnerstag, 7. August 2008

Les Tambours De Brazza - "Brazza"

Ein weiteres Highlight des kleinen französischen Labels Marabi ist diese Werkschau des wohl bekanntesten Tommelensembles aus Afrika. Drummer und Songwriter Emile Biayenda gründet die Band, die zunächst nur aus Trommlern besteht, im Jahr 1991. Von Anfang an ist die Vermischung von Tradition und Moderne die Grundlage dieser Band, die im Lauf der Jahre weitere Instrumente wie Gitarre, Bass oder Keyboard in das Bandgefüge integriert. Die Trommeln stehen jedoch bis heute im Vordergrund und der dadurch entstehende einzigartige Klang ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, das von Anfang an ein modernes Schlagzeug, gespielt von Bandleader Biayenda, mit den traditionellen Ngoma Trommeln kombiniert wurde. Dadurch entstehen moderne Varianten der Rhythmen verschiedener kongolesischer Bevölkerungsgruppen.

"Brazza", übrigens die Kurzform der kongolesischen Hauptstadt Brazzaville, ist ein CD/DVD Package, das neben Studioaufnahmen auch ausgewählte Liveaufnahmen aller Phasen der Band präsentiert. Auf der CD befinden sich 14 ausgewählte Stücke der Alben Ahaando, Zangoula und Tandala, lediglich das Debüt Congo Drums wurde ausgespart. Die 14 Stücke wurden zwar nicht chronologisch angeordnet, aber man kann dennoch die Entwicklung der Band sehr gut nachvollziehen. So bestehen die Ahhando Tracks noch ausschließlich aus Trommeln und Gesang. Besonders erwähnenswert ist hier das Stück Nostalgie, das beweist, dass ein Song auch nur mit Trommelbegleitung funktionieren kann. Die Stücke des Livealbums Zangoula gehen einen Schritt weiter und integrieren zumeist Bass (hier gespielt von Manou Gallo) oder Gitarre in das Bandgefüge. Vor allem der Bass wirkt hier wie eine Art Klebstoff, der die Trommeln noch dichter zu einer Einheit verschmelzt. Auch gesangstechnisch bleibt die Moderne nicht außen vor, so wird das Stück Ahaando um einen Rap erweitert. Die Stücke des bislang letzten Albums Tandala machen einen weiteren Schritt in die Moderne und präsentieren erstmals auch Keyboards. Dadurch erhält so manches Stück einen durchaus poppigen Charakter wie z.B. Sango (les news), und das, obwohl die Trommeln nach wie vor dominieren, während sich alle anderen Instrumente dezent im Hintergrund halten.

Die DVD beinhaltet drei Livemittschnitte, anhand derer man die Entwicklung der Band nun auch bildlich nachvollziehen kann. Der Auftritt in Windhoek aus dem Jahr 1997 zeigt noch das ursprüngliche Trommelensemble, während im Maison de la Culture im belgischen Arlon im Jahr 2000 der Bass eine nicht zu vernachlässigende Position einnimmt. Ein Mitschnitt aus Nancy aus dem Jahr 2002 zeigt schließlich die aktuelle Besetzung. Als Bonus bietet die DVD einen 30 minütigen Trommel-Workshop, eine 40 minütige Jam Session sowie ein kurzes Interview mit Emile Biayenda. Leider hat man sich jedoch nicht die Mühe gemacht, Untertitel bereitzustellen. so dass man schon des Französischen mächtig sein muss, um die Musiker zu verstehen. Auch während der Konzerte eingeblendete Erläuterungen gibt es nur in französischer Sprache. Klang und Bild reichen von amateurhaft (Windhoek) bis professionell (Nancy), wobei man sich auch bei den Schnitten keine große Mühe gegeben hat, was den Fluss vor allem beim Nancy Auftritt etwas stört.

Wenn man mal von der Kleinigkeiten absieht, die es bei der DVD zu kritisieren gibt, handelt es sich bei "Brazza" um eine hervorrragende Retrospektive. Bleibt zu hoffen, dass es in naher Zukunft auch neues Material dieser aufregenden Gruppe geben wird.


(Marabi / 2007)