Mittwoch, 7. Juni 2006

Mamar Kassey - Alatoumi

Der Niger ist nun nicht gerade ein Land, das für seine musikalische Kultur bekannt ist, vor allem im direkten Vergleich zu seinen Nachbarn Mali und Nigeria. Umso erstaunlicher ist es, welch außergewöhnliche Musik sich in diesem riesigen Flächenstaat, der zum größten Teil aus Sand besteht, entwickelt hat. Diese Band liefert quasi das gesamte musikalische Spektrum der Sahelzone und kombiniert dabei traditionelle Klänge der Bambara, Fulani, Hausa und Songhai mit modernen westlichen Klängen, die aber so perfekt integriert sind, als würden sie schon immer dazu gehören. Manchmal "rockt" diese Musik sogar, wobei man jetzt sicher nicht an klassische Rockmusik anglo-amerikanischer Prägung denken darf. Vielmehr "rockt" das auf seine ganz eigene Art und Weise, wozu vor allem der Einsatz einer E-Gitarre und eines E-Basses beitragen, die zusammen mit allerlei Percussion, darunter auch hier und da eine Talking drum, das rhythmische Fundament legen, das meist aus schnellen und funkigen Rhythmen besteht. Dazu gesellen sich die Lauten Mola und Komsa, eine einsaitige Violine, sowie eine schrille Flöte, die manchmal wie eine Leadgitarre eingesetzt wird. Darüber hinaus bieten die zumeist langen Stücke viel Raum für Abwechslung und Improvisationen und die für die Gegend fast schon üblichen Call and Respone Gesänge, bei denen Frontmann Yacouba Moumouni mit seiner sanften und dennoch auch rauhen Stimme besonders hervorsticht.
Die musikalische Verwandschaft zum Nachbarn Mali und hier insbesondere Ali Farka Toure ist durchaus vorhanden, dennoch haben Mamar Kassey, die sich nach einem Songhai Krieger benannt haben, ihren ganz eigen Stil entwickelt und setzen weit mehr auf vertrackte Rhythmen und weniger auf Blues als dies bei Toure der Fall ist. Dazu kommen hier und da auch nordafrikanische und arabische Einflüsse zum Vorschein.
Produziert wurde dieses außergewöhnliche Album tatsächlich in einem Mobilstudio in Niamey, was man in Anbetracht der guten Qualität der Aufnahme, die auf Produktionsbombast glücklicherweise vollkommen verzichtet, kaum glauben mag.

(World Village /2000)

Donnerstag, 1. Juni 2006

Cheikh Lô - Lamp Fall

Der Titel dieses dritten Albums des senegalesischen Sängers und Multiinstrumentalisten ist nicht etwa englisch sondern der Name eines 100-jährigen Priesters einer islamischen Sekte, der mouridistischen Bruderschaft, der Lô ebenfalls angehört. Einer seiner größten Bewunderer ist übrigens kein Geringerer als Youssou N'Dour, der seinerzeit auch sein Debütalbum 'Ne le thiass' aus dem Jahr 1997 produziert hat und sogar mit ihm auf Tour ging um bewusst in der zweiten Reihe zu stehen. Dadurch erlangte Lô, der schon in den 80er Jahren in Eigenregie Kassetten aufnahm, um sie in den Straßen Dakars zu verkaufen, einen größeren Bekanntheitsgrad und bekam als bester Newcomer einen Kora Award, Afrikas höchste Musikauszeichnung.

Die Basis von Cheikh Lô's Musik ist der M'Balax, einst von Youssou N'Dour erfunden, dessen Markenzeichen die schnellen Läufe über die Talking Drum ist. In der Vergangenheit kombinierte er diesen Stil schon mal mit Afrobeat á la Fela Kuti auf 'Lamp Fall' integriert er Flamenco, Reggae, Soul und kubainischen Guajira und erzeugt daraus einen völlig eigenen Stil. Ein weiteres Markenzeichen sind dabei seine außergewöhnliche Stimme und die Flamenco Gitarre. Die lateinamerikanischen und vor allem brasilianischen Einflüsse sind hier allgegenwärtig und kommen besonders im Stück 'Sénégal - Brésil' zur Geltung. Das Rhythmusfundament bilden hier 40 Samba Trommler, die zusammen mit der Talking Drum einen aufregenden treibenden Beat erzeugen. Im Eröffnungsstück 'Sou' dagegen, im Original übrigens von Bembeya Jazz National, sorgt ein brasilianisches Akkordeon für Latinoflair. Das Titelstück selbst basiert auf einem rumpelnden Funkrhythmus, bei dem sich brodelnde Saxophoneinlagen dazugesellen. Aufgenommen wurde das Album übrigens zu Teilen in Bahia, Dakar und London.

Wie viele Alben aus der Region hat auch 'Lamp Fall' Afrika zum Thema, Cheikh Lô's Afrika. Es richtet sich gegen Krieg und Armut, handelt aber auch von Liebe, Religion und Spiritualität. Dabei ist Lô selbst ein äußerst friedliebender Mensch, so bittet er am Anfang von 'Kelle Magni' auf Englisch 'Can you stop the war' und fügt nach einer Pause noch ein 'please' dazu. Das Stück selbst verfügt über eine unglaublich eingängige Melodie, die man, einmal gehört, kaum wieder aus dem Kopf herausbekommt aber dennoch alles andere als nervig ist.

(World Circuit / 2005)