Mittwoch, 31. Oktober 2007

Toumani Diabate - Kaira

Toumani Diabate hat hierzulande vor allem durch sein zusammen mit Ali Farka Toure eingespieltes und mit dem Grammy ausgezeichnetes Album In the Heart of the Moon für Aufsehen gesorgt. Neben seiner Arbeit mit seinem Symmetric Orchestra, die letztes Jahr durch die Veröffentlichung des ausgezeichneten Albums Boulevard de l'Independence gekrönt wurde, arbeitete Diabate in der Vergangenheit aber auch mit so unterschiedlichen Kollegen wie Taj Mahal, Roswell Rudd oder seinem Landsmann Bassekou Kouyate zusammen. Sein Debütalbum Kaira, übrigens das erste Kora-Soloalbum der Geschichte, nahm er jedoch 1987 ganz allein an einem einzigen Nachmittag in London auf. Die 5 Stücke sind allesamt live eingespielt und wurden nicht nachträglich mit Overdubs versehen. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da man zeitweise den Eindruck hat, 2 oder gar 3 Musiker an ihren Koras zu hören. Für einen Virtuosen wie Diabate ist es jedoch kein Problem, gleichzeitig die Bassbegleitung, die Melodie und eine Variation zu spielen. Bereits mit 5 Jahren beginnt Toumani Diabte Kora zu spielen, und da seine Eltern keine Zeit haben, ihm Musikunterricht zu geben, bringt er sich das Spiel vor allem selbst bei und schaut sich aber auch vieles bei seinem Vater Sidiki Diabate ab, der selbst ein weit über die Grenzen Malis hinaus bekannter Koraspieler und Griot war. Im Alter von 13 Jahren schließt er sich einem lokalen und staatlich geförderten Ensemble an und mit 19 tourt er mit der in Mali bekannten Sängerin Kandia Kouyate durch Afrika.
Kaira ist zwar ein Instrumentralalbum, das mit nur einem Instrumnet eingespielt wurde, dennoch kommt zu keiner Zeit Langeweile auf. Und wer bei Kora eher an New Age oder Esotherik denkt, liegt völlig falsch. Die Kora ist zwar eine Stegharfe und klingt der uns bekannten Harfe sicher nicht ganz unähnlich, dennoch ist ihr Klang rauer und weit weniger sanft und Toumani Diabate zeigt durch seine Spielweise auf eindrucksvolle Art, dass sie sich auch als Soloinstrument eignet. Das Titelstück, übrigens eine Komposition seines Vaters, wurde später auf In the Heart of the Moon neu eingespielt. Auch die restlichen Stücke sind keine Eigenkompositionen sondern traditionelle und klassische Korastücke, wie z.B. Tubaka, ein wunderschönes altes Liebeslied.
Ende der 80er Jahre war vor allem Paris die Hochburg des Afropop und der ein oder andere erinnert sich sicher noch an Mory Kantes Yéké Yéké. Im Vergleich dazu fällt Kaira völlig aus dem Rahmen und dürfte somit ein zeitloses Dokument westafrikanischer Musikkultur sein. Zumindest aber ist es ein großartiges und wunderbares Album.

Dienstag, 23. Oktober 2007

Simphiwe Dana - The One Love Movement on Bantu Biko Street

Mit einem Jahr Verspätung wurde hierzulande nun auch Simphiwe Danas zweites Album veröffentlicht, das in ihrer Heimat Südafrika längst Platinstatus erreicht hat. Das wird dem Album hier zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht passieren, aber zumindest was dessen Klasse angeht, kann man hier nur von einem Platinalbum reden. In der Tat gelingt es der Künstlerin dem schon phantastischen Debüt noch eins draufzusetzen, was gar nicht so einfach gewesen sein dürfte obwohl man es dem Album nicht anhört. Simphiwe Dana erweist sich hier nämlich nicht nur als großartige Sängerin, die dieses mal ihre Lieder ausschließlich in ihrer Muttersprache Xhosa singt, sondern einmal mehr auch als außergewöhnliche Autorin. Der Inhalt der Songs, die dieses mal allesamt in englischer Übersetzung vorliegen, ist größenteils politischer Natur, aber hier und da finden sich auch wunderbare Liebeslieder.
Das politische Element dieses Albums wird schon im Titel deutlich, beinhaltet er doch den Namen jenes Bürgerrechtlers, der 1977 während seiner Haft zu Tode gefoltert wurde. Auf dem Cover sieht man einen hell erleuchteten Weg, der durch das Dunkel führt. Bantu Biko Street dienst als Symbol für den Weg nach vorne oder wie es die Künstlerin selbst sagt: "Bantu Biko Street is the only street paved with our hopes and dreams, our golden highway that must first exist in our minds". Schon im ersten Stück Sizophum' Elokishini, das darüber klagt, dass die Apartheid noch nicht überwunden ist, wird dies deutlich. Doch sind Simphiwe Danas Lieder immer auch von Hoffnung und dem Glauben an Besserung geprägt, auch wenn es ein langer Weg dahin ist. Doch auch musikalisch wird im ersten Stück klar, wo es langgeht. Deutlich mehr jazzorientiert geht es dieses mal zu Werk wozu auch das Orchester seinen Beitrag leistet, indem es zwar meist zurückhaltend agiert aber eben doch wichtige Akzente setzt. Geblieben sind die einzigartigen und ausnahmslos grandiosen Chorgesänge. Bantu Biko Street, eines der beiden Titelstücke, liegt gleich in 2 Versionen vor, einmal mit Band und einmal mit Orchester und Chor und beschwört einmal mehr die Einigkeit Afrikas während das jazzige Zundiqondisise von der Eigenständigkeit der Frau handelt und mit wunderbaren Piano- und Chorpassagen aufwartet. An zentraler Stelle findet sich die wunderschöne und intensive Liebeballade Iliwa Lam bei dem einmal mehr auch das Orchester mit dem Chor für magische Momente sorgt. Im Gegensatz dazu stehen zum einen das perkussive Sebenzile, dessen Rhythmen wahre Afrobeatgefühle aufkommen lassen und zum anderen Uzobuya Nini?, das auf einem monotonen Dancefloorbeat basiert. Am Ende steht dann das zweite Titelstück, dargebracht als zweiteilige Suite, und verdeutlicht noch einmal obiges Zitat und setzt diesem knapp 80 Minuten langen aber niemals langweiligen Album einen würdigen Schlusspunkt.
Bei den African Music Awars im Frühjahr 2007 wurde Simphiwe Dana gleich mit 4 Preisen gewürdigt u.a. in den Kategorien "Album of the Year" und "Artist of the Year". Das ist freilich kein Merkmal für Qualität, in diesem Falle trifft es aber ausnahmsweise absolut zu.

(Skip Records / 2007)

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Manou Gallo - s/t

Die Wahlbelgierin und gebürtige Ivorin, die sich selbst als Afropäerin bezeichnet, begann ihre musikalische "Karriere" bereits im Alter von 8 Jahren, als sie bei einer Beerdigung die heilige Trommel Atombra spielte, was beim Volk der Djiboi bis dato nur den Männern erlaubt war und einem Tabubruch gleichkam. Nur 4 Jahre später schloss sie sich der in Westafrika bekannten Band Woya an und erlernte das für sie typische Bassspiel, was sich später zu einem ihrer Markenzeichen entwickelte. Mitte der 90er stieß sie auf den damaligen Zap Mama Manager Michel DeBock, der ihr ein Casting für die Gruppe vermittelte, die zu jener Zeit auf der Suche nach einer neuen Bassistin war. Anschließend schloss sie sich den Tambours De Brazza an, wo sie als einzige Frau unter 16 Musikern die Rhythmus-Sektion komplettierte. Im Jahr 2003 veröffentlichte sie dann ihr Solodebüt Dida, das schon alle Zutaten enthielt, die ihre Musik so einzigartig machen.
2007 veröffentlichte sie nun ihr zweites, selbstbetiteltes Album, auf dem sie, wie schon auf dem Debüt, neben Gesang und Bass auch Gitarre und Percussion spielt. Das Fundament ihrer Musik bilden bisweilen komplexe Rhythmen kombiniert mit einem extrem funkigen und hochenergetischen Bass. Afrobeat trifft auf Funk und Soul und wird hier und da mit einem Schuss HipHop veredelt. Auf diesem Fundament also baut die Gallo ihre Songs und erweist sich hier auch als hervorragende Autorin, der es gelingt, die verschiedensten Stimmungen einzufangen. Schon das erste Stück ABJ-BXL (Abidjan-Bruxelles), ein Uptempo Funk, schlägt die Brücke zwischen Europa und Afrika. Chanter L'Amour dagegen ist eine Ballade, die von einer gescheiterten Liebe handelt und über eine verführerische Basslinie verfügt. Und spätestens hier wird deutlich, dass der Bass das führende Instrument ist im musikalischen Kosmos der Gallo. Was sie aus den 4 Saiten herausholt ist absolut einzigartig und schlicht und einfach phänomenal. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Rhythmen der Djiboi, sondern platziert hier und da Drum'n'Bass-Einschübe oder lässt im Stück Woyaklolo, das auf einem Song ihrer früheren Band Woya basiert, den Rapper Balo zu Wort kommen. Ein Stück, das urspünglich noch die Geschichtenerzähler des Afro-Dorfes, die sogenannten Griots, pries und in dieser neuen Version noch einen Schritt weitergeht: jeder Musiker sollte zum Lautsprecher seiner Leute werden. Terre dagegen zeigt einmal mehr, mit welcher Leichtigkeit hier komplexe Rhythmen mit weichem Chrogesang kombiniert werden. Ein Stück, das zum einen auf den Bürgerkrieg und die nachbarschaftliche Hilfe zwischen Liberia und de Elfenbeinküste anspielt, das aber auch von einer Welt ohne Grenzen träumt und die afropäische Verschmelzung voranbringen soll. Verdeutlicht wir dies durch aprupte Tempiwechsel sowie kantigen Gitarren- und Bassriffs. Das melancholische Hommage schließlich beginnt beinahe wie ein Chanson, der in der Mitte plötzlich von einem Zwischenspiel bestehend aus einem knarzigem Bass und schrägen Rhythmen unterbrochen wird.
In einem Interview sagte sie unlängst: "Ich bin Afropäerin, habe einen E-Bass und bin funky. Es gibt keine Grenzen: Ich bin ein Vogel, der frei herumfliegen kann. Die Zeit, in der man Afrika mit dem Image des Bananenröckchens verbunden hat, ist definitiv vorbei." Besser kann man ihr Album eigentlich gar nicht zusammenfassen.

(Zig Zag World / 2007)