Dienstag, 18. November 2008

Seun Kuti - Seun Kuti & Fela's Egypt 80

2008 ist ein Kuti Jahr, Femi veröffentlicht sein lange erwartetes neues Album, von Fela erscheint erstmals die Frühphase komplett auf einem Album, und der jüngste Sohn Seun ging bereits im Frühjahr mit seinem Debütalbum ins Rennen. Das erschien zunächst in Frankreich unter dem Titel Many Things, später dann in den USA als Seun Kuti & Fela's Egypt 80. Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei seiner Band um die selbe Band, die Anfang der 80er Fela's Africa 70 ablöste. Und da ist dann auch der einzige Vorwurf, den man Seun machen könnte, dass Egypt 80 immer noch klingen wie damals und sich kaum weiterentwickelt haben. Andererseits halten ihn deshalb nicht wenige in Nigeria für den wahren Fela Nachfolger, da sich Seun (sprich Schönn) auch deutlich stärker am Vater orientiert als sein Halbbruder Femi. Das Verhältnis der beiden scheint leider nicht das Beste zu sein, aber immerhin taucht Femis Name in der Dankesliste des Albums auf.

Bereits mit 8 Jahren stand Seun zum ersten mal zusammen mit Egypt 80 auf der Bühne. Nach dem Tod des Vaters 1997 übernahm er die Band mit 15 Jahren. Lange Zeit beschränkte er sich auf Liveauftritte und hatte keine Lust, ein Album zu produzieren. 2006 begann er dann schließlich doch in Lagos mit den Aufnahmen zu Many Things, das knapp 2 Jahre später dann veröffentlicht wurde. Der Afrobeatkenner muss beim Hören dieses Albums das Gefühl haben, dass die Zeit stehen geblieben ist. In der Tat klingen Egypt 80 noch exakt so wie Ende die 80er. Im Unterschied zu heute bestand ein Egypt 80 Album in den 80er Jahren allerdings meist aus nur einem langen Stück, auf Seuns Debüt gibt es immerhin 7 Stücke, die hier und da auch einen eigenen Charakter entwickeln, so dass Seun nicht zur bloßen Kopie verkommt. Unverändert ist jedoch dieser hypnotische Groove, der sich hier über 53 Minuten erstreckt und dem man sich nur sehr schwer entziehen kann. Ein sattes Gebläse, gespickt mit Polyrhythmen und weiblichem Chorgesang, hier und da ein paar feine Gitarrenlicks, das sind die Zutaten des Afrobeat den die Band hier zelebriert und die Menschen in Nigeria seit gut 30 Jahren begeistert. Auch in seinen Texten nimmt er kein Blatt vor den Mund, was man schon beim Betrachten des Rückcovers erahnen kann, dort ist eine brennende Silhouette des afrikanischen Kontinents abgebildet. So geht es im Mosquito Song und Korruption, die er gleichermaßen als Seuche brandmarkt wie Malaria. Beides ist im Grunde einfach zu bekämpfen, doch es geschieht nichts. Vorgetragen werden die Texte meist in einer Mischung aus Englisch, Pidgin Englisch und Yoruba, so dass sie zunächst zwar nicht so ohne weiteres verständlich sind, wer aber wenigstens ein bisschen Fela kennt, sollte kein Problem mit dem Verständnis haben.
Wie auch sein Vater spielt Seun Saxophon und überzeugt beispielsweise in Don't Give That Shit To Me, eine Reminiszenz an Felas Gimme Shit I Give You Shit, mit einem coolen Solo. Many Things dagegen köchelt in einem geschmeidigen Rhythmus 8 Minuten vor sich hin während Fire Dance mit schweren Funkgrooves aufwartet.

Zwar bringt Seun Kutis Debüt musikalisch nicht viel Neues, dennoch ist es natürlich ein großartiges Album und hat durchaus das Potential zur Weiterentwicklung. Zusammen mit Bruder Femi auf jeden Fall eine Bank gegenüber all dem Möchtegernafrobeat, den das Jahr hervorgebracht hat.

Montag, 10. November 2008

Femi Kuti - Day By Day

Gerade noch rechtzeitig erschien das neue Album von Femi Kuti. Gerade noch rechtzeitig um endlich einmal klarzustellen, dass Langweilerbands wie Vampire Weekend nichts, aber auch gar nichts mit Afrobeat zu tun haben. Warum solche Bands anfang des Jahres dennoch einen Afrobeat Hype ausgelöst haben, bleibt das Geheimnis der heimischen Musikpresse, die eilig ein paar Afrobeat Beiträge zusammengeklopft und Afrobeat Rare Trax Sampler zusammengestellt hatte, die fast gar keinen Afrobeat enthielten. Für den Laien musste das ja fast schon so aussehen, als ob quasi jede Musik aus Afrika automatisch Afrobeat sei. Dem ist freilich nicht so, Afrobeat wurde Ende der 60er in Nigeria von Fela Kuti und Tony Allen erfunden und ist eine Gemisch aus Funk, Soul und Jazz gewürzt mit jeder Menge westafrikanisch geprägter Polyrhythmen. Femi Kuti geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, dass jeder, der Afrobeat spielen möchte, sich auf Fela Kuti beziehen muss.

Femi, der älteste Sohn Felas, versuchte schon früh, sich musikalisch vom übermächtigen Vater zu emanzipieren und gründete, nachdem er auch zeitweise dessen Band Egypt 80 geleitet hatte, seine eigene Band The Positive Force. Er entwickelte seine eigene Version des Afrobeat und setzte mehr auf kurze, eingängige Stücke und weniger auf die langen Jams, die man von Fela kennt. Dennoch war die Herkunft nie zu überhören und so setzte er dem Vater auch das ein oder andere musikalische Denkmal, wie z.B. 97 auf dem letzten Studioalbum Fight To Win. Auf dem neuen Album stellt er Fela im Stück Do You Know auf eine Höhe mit Größen wie Miles Davis, Dizzie Gellespie oder Billie Holiday und auch sonst klingt hier einiges nach klassischem Afrobeat wie schon lange nicht mehr. Aber Day By Day bringt auch neues, so handelt es sich beim Titelstück tatsächlich unm eine Art Afrobeatwalzer. Die Stücke Oyimbo, Eh Oh und One Two kennt man schon vom Africa Shrine Album, hier jedoch iegen sie erstmals in der jeweiligen Studioversion vor. Bei letzterem darf Femis Sohn Made, der hier und da auch Saxofon spielt, den Refrain singen. Im Chor singt übrigens u.a. Schwester Yeni, mit der er zusammen den Shrine Club in Lagos betreibt. Ein weiterer prominenter Gast ist Landsmann Keziah Jones, der bei zwei Stücken Gitarre spielt.
Das Stück Demo Crazy nimmt die ähnlich klingende Staatsform auf die Schippe und zeigt deutlich, was Femi von Demokratie hält, nämlich gar nichts. Allerdings ist Femi auch durchaus Utopist, denn eine bessere Alternative kann er leider nicht anbieten, wenngleich die Frage, warum der (rohstoff-)reichste Kontinent von den ärmsten Menschen bevölkert wird natürlich absolut berechtigt ist. Untermalt wird das Ganze wie gewohnt mit bigbandartigen Bläsern, fetten Orgeln und bisweilen manischen Polyrhythmen. Die musikalisache Palette wurde aber auch erweitert, so hört man bei dem bereits erwähnten Do You Know oder They Will Run eine deutliche Jazzlastigkeit.

Day By Day stellt eindrucksvoll unter Beweis, wer den wahren Afrobeat spielt. Wer sich also Vampire Weekend zugelegt hat und meint, jetzt Afrobeat zu hören, der sollte sich dringend dieses Album zulegen, um eine Bildungslücke zu schließen. Allen anderen sei dieses Album natürlich ebenfalls wärmstens an Herz gelegt.

(Wrasse Records / 2008)