Dienstag, 19. Februar 2008

Simphiwe Dana live in Heidelberg, 17.02.2008

Ich gebe zu, auf der Fahrt nach Heidelberg war ich irgendwie aufgeregt. Nach zwei phantastischen Alben stellte sich mir vor allem die Frage, wie die musikalische Umsetzung auf der vergleichsweise kleinen Bühne im Heidelberger Karlstorbahnhof, auf der weder ein Orchester noch ein großer Chor Platz finden, aussehen könnte. Nach 15-minütiger Verspätung löste sich schließlich die Spannung, alles war kleiner und doch war die Bühne voller Musiker, so dass sich neben der Hauptakteurin 3 Chorsänger, 2 Keyboarder, 1 Bassist, 1 Gitarrist, ein Schlagzeuger und 1 Percussionist den kleinen Platz teilten. Am Anfag stand das Ende des aktuellen Albums, der 2. Teil des One love movement, bei dem zunächst der kleine Chor sein ganzes Können unter Beweis stellen durfte bevor schließlich die zauberhafte Simphiwe Dana im eleganten Kleid und der obligatorischen Kopfbedeckung auf die Bühne kam. Gespielt wurden in der Folge Songs von beiden Alben, die z.T. neu arrangiert wurden. So durften bei dem ins beinahe Unendliche gezogene Zandisile auch die 3 Chorsänger, bestehend aus 2 Männern und einer hochschwangeren Frau, den Leadgesang übernehmen. Wie schon auf dem letzten Album wurden die Songs auch live auschließlich in der Sprache Xhosa gesungen, wobei die typischen Klicklaute hier fast noch deutlicher zum Vorschein kamen. Es ist immer wieder faszinierend zuzuhören, auch wenn man kein Wort versteht und man selbst schon Schwierigkeiten hat, die Worte überhaupt zu lesen, geschweige denn auszusprechen. Zwischen den Songs gab es allerdings meist eine Erklärung auf Englisch wobei sich die Dana hier zu allem Überfluss auch noch als äußerst sympathische Erscheinung erwies. Schon während des Konzertes gab es immer wieder stehende Ovationen von einem Publikum, das überraschend wenig dem biederen Weltmusikhörer Klischee entsprach.
Im Grunde war das Konzert eine Aneinandereihung von Höhepunkten, so dass es tatsächlich schwer fällt, einzelne Stücke hervorzuheben. Mit einer der bewegendsten Momente war sicher das live noch dramtaischer wirkende und der Liebe gewidmete Iliwa Lam oder das beschwingte Ihilihili, bei dem einer der beiden männlichen Chorsänger einen Tanz zum Besten geben durfte. Selbst die Vorstellung der Band geriet äußerst kurzweilig, weil Simphiwe Dana auch gleich noch verriet, wer von den männlichen Musikern noch "zu haben (available)" war. Schließlich endete das Konzert mit einem endlos langen Ndiredi vom Debütalbum, bei dem der Chor noch einmal Akzente setzen und zeigen durfte, wie unverzichtbar er doch an diesem Abend war. Gerne hätte ich auch Vela oder Chula ukunyathela, eines der beiden A-Capella Stücke vom Debütalbum, gehört, ein Wunsch, der jedoch unerfüllt bleiben sollte.
Als einzige Zugabe gab es noch Injongo, für all die, die am nächsten Tag bei eisiger Kälte früh aufstehen und zur Arbeit mussten. Zuvor bemerkte sie schon scherzhaft, dass in ihrer Heimat bei dieser Kälte keiner das Haus verlassen würde um auf ein Konzert zu gehen. Und so ging ein 2 Stunden langes Konzert nach gefühlten 15 Minuten zu Ende. Bleibt zu hoffen, dass die anderen Konzerte mit ähnlicher Begeisterung aufgenommen wurden, dann dürfte einer weiteren Tour nichts im Wege stehen.

Montag, 11. Februar 2008

Dobet Gnahoré - Na Afriki

"Mein Afrika" heißt übersetzt das zweite Album dieser jungen Künstlerin aus Côte d'Ivoire, auf dem sie es nicht nur als Sängerin zu überzeugen versteht, sondern tief in die Seele des afrikanischen Kontinentes eintaucht. Dabei gelingt es ihr, die verschiedensten Stile von kongolesischer Rumba über Zulugesänge bis hin zur Polyphonie des Pygmäengesanges zu verschmelzen und ihrer Lieder in unterswchiedlichen Sprachen zu singen, wie z.B. Dida, ihrer Muttersprache, aber auch Wolof (Senegal), Mandinké (Mali), Lingala (Kongo) oder Xhosa (Südafrika).

Aufgewachsen ist Dobet Gnahoré in Ki Yi Mbock, einem 1975 gegründeten Künstlerdorf mitten in Abidjan, der Hauptstadt Côte d'Ivoires. Obwohl ihr Vater Boni Gnahoré Mitbegünder dieser Kolinie war, war das Leben für die Kinder dort nicht einfach, denn die Gründer wollte keine Hippiekommune, sondern einen Ort schaffen für talentierte und hochbegabte Afrikaner die ein Interesse an der Kunst hatten. Und somit mussten auch die Kinder jeden Tag stundenlang proben um abends vor den Erwachsenen auftreten und dann auch schon mal harte Kritik einstecken. Da im Dorf nicht nur Ivorer sondern auch Ghanaer, Senegalesen und viele anderen Nationen zusammen lebten, sieht sich Dobet schon seit frühester Kindheit mehr als Panafrikanerin denn als Ivorin, was sich letztendlich auch in ihrer Musik wiederspiegelt.

Und so ist Na Afriki ein wunderbares Konglomerat verschiedenster afrikanischer Stile geworden. Ein Album, das auf der einen Seite sehr rhythmisch ist, wozu auch Dobets Percussionspiel beiträgt, das aber andererseits auch sehr viel Wert auf Songwriting legt. So singt sie in dem bewegenden Khabon n'daw derart eindringlich über Kindesmisshandlung, dass man das Gefühl hat, sie leidet mit den Kindern. Djeguene dagegen ist ein Hohelied auf die Frauen und beweist mit seiner Eingängigkeit und unwiderstehlichen Melodie auch Popqualitäten. Dazwischen gibt es immer wieder wilde Trommelrhythmen und wunderbaren Chorgesang. Im wunderschönen Palea geht es um die Kraft der Liebe und in Pillage, dem Quasititelstück, fleht sie, dass "ihr" Afrika doch endlich von Krieg, Korruption und Unterdrückung befreit werden möge. Eine ähnliche Botschaft vermittelt das eindeutig betitelte Massacre und das abschließende Moussou tilou richtet sich gegen die immer noch weit verbreitete Polygamie.

Na Afriki reiht sich neben den aktuellen Album von Simphiwe Dana und Manou Gallo nahtlos ein und zeigt, dass 2007 vor allem auch Frauen musikalische Maßstäbe setzten. Ein erfreulicher Umstand, der sich 2008 gerne fortsetzen darf.

(Contre Jour / 2007)

Montag, 4. Februar 2008

Netsayi - Chimurenga Soul

Wie so oft erschien auch dieses Solodebüt der aus Simbabwe stammenden und in London lebenden Sängerin hierzulande mit einiger Verspätung. Vielleicht liegt es an den fehlenden radiotauglichen Hits, an fehlender musikalischer Klasse jedoch ganz bestimmt nicht. Ähnlich wie Simphiwe Dana aus Südafrika überzeugt Netsayi auf ihrem Album mit einer ausgewogenen Mischung aus Jazz, Soul und traditionellen Elementen ihrer Heimat. Folgerichtig nennst sie ihren Stil dann selbst auch wie ihr Album Chimurenga Soul. Chimurenga ist ein Wort ihrer Muttersprache Shona und bedeutet Freiheitskampf und bezieht sich in erster Linie auf den Kampf gegen die Apartheid. Soul steht dagegen für ihre afrikanischen Wurzeln.

Geboren wurde Netsayi Chigwendere, so ihr voller Name, als Flüchtling in London während des Befreiungskampfes im damaligen Rhodesien. Nach dem Ende des Krieges zog sie mit ihren Eltern zurück in das mittlerweile unabhängige Simbabwe und wuchs in der Hauptstadt Harare auf. In einem durch und durch musikalischen Haushalt wurde sie schon früh mit diversen Musikstilen konfrontiert, so z.B. Traditionelle Musik, lokaler Pop aber auch Reggae, Soul und Folk. All diese Stile hatten Einfluss auf ihre eigene musikalische Ausrichtung, dem Chimurenga Soul.

Am Anfang steht das kurze und traditionelle Titestück mit jeder Menge Percussion und Händeklatschen sowie typischem Chorgesang. Funny kommt dagegen weitgehend ohne traditionelle Elemente aus und ist ein Amalgam aus Soul und Jazz und verfügt über ausreichend Ecken und Kanten. Netsayi sing ihre Lieder wahlweise in Englisch oder ihrer Muttersprache Shona, so z.B. das zentral gelegene und von der Perversion des Krieges handelnde Hondo, das mit dezenten E-Gitarren-Attacken aufwartet und für ungewohnt rockige Momente sorgt, ohne dabei glücklicherweise ins Breitbeinige abzudriften. Auffällig ist, dass die Lieder mit ihren bisweilen komplexen Rhythmen eher selten zum Tanzen einladen und oft ein mehrfaches Hören erfordern, bis sie ihre ganz Schönheit entfalten können. Eine der wenigen Ausnahmen bildet hier das Stück Tatters, das auf einem Protestgedicht basiert und Kwaito Elemente beinhaltet. Dazwischen streut sie immer wieder kurze Traditionals ein, bei denen neben Percussion auch großartige Chorsätze zum Einsatz kommen und auch eine Mbira, das traditionelle Daumenklavier aus Simbabwe, nicht fehlen darf. Ein weiterer Höhepunkt ist Beyond the moon, ein sagenhaftes und intensives Stück Afrosoul mit einer traumhaften Pianobegleitung und einem klagenden Cello, das die vorhandene Gänsehaut noch verstärkt. Das Finale bestreitet schließlich der epische Refugee song, bei dem Netsayi einmal mehr ihr stimmlichen Qualitäten unter Beweis stellen kann.

Chimurenga Soul ist ein außergewöhnliches Debütalbum, das sehr international klingt ohne jedoch die eigene Tradition zu vernachlässigen. Dabei ist es von ähnlicher Güte wie Simphiwe Danas Debüt Zandisile und zählt somit zu den aufregendsten Neuentdeckungen der letzten Jahre. Man darf also gespannt sein auf weitere Alben dieser außergewöhnlichen Sängerin.


(World Connection / 2007)