Mittwoch, 25. November 2009

Rachid Taha - Bonjour

Rachid Taha beschreitet neue Wege. Beinahe 3 Dekanden dauert sein musikalische Karriere nun an, zunächst in den 80er Jahren mit der Band Carte De Sejour, ab 1991 dann als Solist. Schon das kunterbunte Artwork zeigt Taha von einer völlig neuen Seite. Die Wut und das Rebellische vergangener Alben scheint wie weggeblasen und ein Blick auf die Rückseite zeigt auch schon die erste große Änderung: Steve Hillage, sein langjähriger Begleiter, Co-Autor und Produzent wirkt nur noch bei einem einzigen Stück mit. Den Platz des Co-Autors übernimmt der junge französische Musiker Gaetan Roussel, der beim Titelstück auch die zweite Stimme übernommen hat. Es ist wohl auch Roussel zu verdanken, dass das Album mehr in Richutng Folk und Chanson geht als dies bislang der Fall war, wenngleich das Orientalische, das Maghrebinische natürlich nach wie vor allgegenwärig ist. Nur klingt dieses mal alles leichter und eingängiger ja geradezu poppiger. "Schuld" daran dürfte in erster Linie die Fotografin Barbara D'Alessandri sein, in der Taha seine große Liebe gefunden hat, und die die Wut und die Verzweflung der Vergangneheit in so etwas wie Hoffnung verwandelt zu haben scheint. Einen Brecher wie Barra Barra sucht man auf Bonjour vergeblich und auch traditinelle, Rai-geprägte Stücke wie auf den beiden Diwân Alben sind hier nicht zu finden. Bonjour gilt als sein amerikanisches Album, was nicht weiter verwundert, denn die Liebe zur US-amerikanische Kultur ist kein Geheimnis und dennoch klingt das Album weit weniger amerikanisch, als man das nun erwarten würde. Selbst beim Titelstück, das als eine Art orientalischer Countrysong beschrieben wird, überwiegt eben doch mehr das Orientalische. Ila Iiqa erinnert mich von der Atmosphäre her sogar ein bisschen an eine arabische Version von Radiohead und It's An Arabian Song, bei dem er von Bruno Maman mit Oud und Stimme unterstützt wird, lässt augenzwinkernd die 80er Jahre aufleben, nicht nur wegen der Anspielung an PIL. Auch in den Texten geht es auf Bonjour oft um die Liebe. Am schönsten geschieht dies im Stück Ha Baby, ein unwiderstehlicher Popsong bei dem sich einmal mehr County mit nordafrikansicher Chaabimusik mischt. Der Titel ist ein Wortspiel und bezieht sich auf das arabische Wort "Habbi", das übersetzt etwa "mein Schatz" bedeutet. Und so ist Bonjour eine gelungene Neuausrichtung, musiklisch so bunt wie das Cover vermuten lässt aber auch tiefgründig genug, um auf Dauer zu bestehen.

(Wrasse Records / 2009)

Donnerstag, 19. November 2009

Mamadou Barry - Niyo

In Guinea ist der 1947 geborene Mamadou Barry sicher kein unbeschriebenes Blatt mehr, auch wenn er tatsächlich 62 Jahre alt werden musste, um sein erstes Album unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Die Leidenschaft für Musik erbte er von seinem Vater, einem Akkordeon- und Schlagzeuspieler einer der bekannteste Bands jener Zeit, Le Pavillion Bleu. Mamadou selbst spielt Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, aber auch Flöte und Percussion, war aber im sozialistischen Guinea dank Zwangsverpflichtung zunächst für kurze Zeit als Lehrer tätig, was ihm den Spitznamen 'Maitre Barry' einbrachte. Später als Arrangeur Bandleader und Komponist stellte er seine Saxophone und Flöten immer auch anderen Musikern zur Verfügung, was ihm den zweiten Spitznamen 'Arôme Maggi' einbrachte, eine Anspielung auf den in Westafrika nicht unbeliebten Brühwürfel. Ende der 60er Jahre war er Gründungsmitglied der Band Kaloum Star, die Teil des Authtenticité Programmes der sozialistischen Regierung unter Sekou Touré war. In Guinea wie auch im benachbarten Mali waren Musiker zu jener Zeit Staatsangestellte, die wie Beamte vom Staat bezahlt wurden. Ende der 60er wurde im Rahmen des Programmes das Syliphone Label gegründet, für das auch Miriam Makeba in der Zeit ihres Aufenthalts in Guinea einige Aufnahmen einspielte. Kaloum Star veröffentlichten 1973 ihr erste Aufnahme auf Syliphone als Beitrag eines Samplers, gefolgt von einigen Singles. In ihrer Musik verknüpfte die Band traditionelle Mandingo Melodien mit Jazz und Afrobeat und veröffentlichte in den 1990er Jahren schließlich ihr erstes internationales Album.

Das in Conakry aufgenommene Niyo wandelt nun auf den Spuren seiner ehemaligen Band und zeigt schon auf dem Cover an, wo es einzuordnen ist: "file under: Africa / Cool Groove". Dies trifft vor allem bei den Instrumentalstücken, die den größeren Teil des Albums einnehmen, zu. Hier gelingt ihm aufs Vorzüglichste dieser einzigartige Mandingo Afrobeat, der erstaunlicherweise ganz ohne Schlagzeug auskommt. Nur Bass und ein paar Percussion bilden das Rhythmusfundament, auf dem Barry mit seinen Saxophonen und hier und da auch mit einer Flöte zu glänzen versteht. Unter den Instrumentalstücken befindet sich auch eine Bearbeitung von Dave Brubecks Take Five, hier als Africa Five, das vor allem durch die Rhythmik stark "afrikanisiert" wurde.
Bei den Gesangsstücken wird Barry von drei hervorragenden Sänerginnen aus Guinea unterstützt: Sia Tolno, Sény Malomou and Missia Saran. Besonders erwähnenswert ist hier das von der jungen, in Sierra Leone geborenen Sia Tolno geschrieben und gesungene Sumbouya, das sie mit leicht angeauter Stimme vorträgt. Tolno hat selbst in diesem Jahr ihr Debütalbum veröffentlicht.
Im letzten Stück Néné, das mit einem griotartigen Lobgesang auf Barry beginnt, übernimmt schließlich Koraspieler Kélontan Cissoko die Hauptrolle. Das wunderbare Zusammenspiel zwischen Kora, Flöte und Saxophophon demonstriert einmal mehr auch die Vielfältigkeit Barrys Musik und sorgt damit für einen fulminanten Abschluss eines hervorragenden Albums.

(World Village / 2009)

Donnerstag, 12. November 2009

Afel Bocoum & Alkibar - Tabital Pulaaku

Das Cover, das Afel Bocoum mit seiner Gitarre vor einer Rinderherde zeigt, sagt vieles über den Künstler aus. Tatsächlich sieht sich Bocoum in erster Linie als Landwirt und erst danach auch als Musiker und tut es damit seinem Onkel, dem 2006 verstorbenen Ali Farka Toure gleich. Darüber hinaus investiert er die Einnahmen aus Plattenverkäufen und Tourneen in sein Heimatdorf Niafunke, in dem er vor mehr als 10 Jahren zusammen mit Toure sein erstes Album Alkibar aufgenommen hatte und nach dem er schließlich auch seine Band benannte. Nach Niger im Jahr 2006 entstand nun in Bamako das dritte Album Tabital Pulaaku, das sich nur marginal von seinen Vorgängern unterscheidet, das aber Bocoums Status als Nachfolger Ali Farka Toures festigt. Toure selbst war es, der ihn noch zu Lebzeiten dazu ernannt hatte.
Afel Bocoums Musik fehlt gänzlich das Schroffe, das seinen Onkel auszeichnete, was sicher kein Nachteil ist sondern vielmehr für Eigenständigkeit sorgt. WIe auch seinem Cousin Vieux Farka Toure gelingt es ihm, sich von den Einflüssen zu emanzipieren ohne diese zu verleugnen. Während Vieux jedoch seine Musik mit allerlei äußeren Einflüssen kombiniert, wählt Bocoum einen eher traditionellen Weg. So sind auch die Songs dieses dritten Album gebettet in die Klänge von Njarka und Njurkle, eine einsaitige Geige und eine einsaitige Gitarre, beides traditionelle Instrumente der Songhai, denen Bocoum angehört. Er selbst spielt Gitarre, wahlweise akustisch oder gelegentlich elektrisch und für den Rhythmus sorgen ein Bass sowie eine Kalebasse. Die zumeist kurz gehalteten Stücke sind oft ähnlich aufgebaut, erzeugen in ihrer Gesamtheit aber dennoch eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Hier und da blitzen wunderbare melodische Einwürfe auf, und einige Stücke enthalten in der Mitte einen Break um in ein beschwingteres Finale überzugehen. Bocoum singt nicht nur in seiner Muttersprache Songhai sondern auch in Peul (Fulani) und Bambara und sorgt somit wie auch schon sein Onkel für eine gewisse Völkerverständigung im Vielvölkerstaat Mali. Seine Stücke behandeln oft sozial-politische Probleme wie Abwanderung, fehlende Bildung oder Unterdrückung der Frau aber auch die westliche Freizügigkeit, die im muslimisch geprägten Mali nicht gern gesehen ist. Dabei geht es hier ganz und gar nicht um eine Kopftuch Diskussion, wie man im Stück Allah Tanu nachhören kann und dessen Text wie bei allen anderen Stücken auch in englischer und französischer Übersetzung vorliegt. Musikalisch wird das Ganze wie gewohnt mit gleichermaßen eleganten wie hypnotischen Klängen umgesetzt.
Wie seine Vorgänger auch ist Tabital Pulaaku kein Album, dass sich dem Hörer aufdrängt. Die Schönheit und der Reiz des Albums liegen nicht an der Oberfläche sondern müssen geradezu entdeckt werden und wer sich darauf einlässt, wird sicher fünding werden.

(Contre Jour / 2009)

Mittwoch, 4. November 2009

Mikea - Taholy

Vor einigen Jahren gründete Théo Rakotovao die Band Mikea, die er nach einer kleinen Bevölkerungsgruppe im Südwesten Madagaskars benannte und der er selbst entstammt. Mittlerweile nennt er sich auch selbst Mikea und veröffentlichte nun unter diesem Namen sein zweites internationales Album Taholy.
Mikea wuchs in der Region Masikoro im Südwqesten Madagaskars auf und studierte zunächst Wirtschaftswissenschaften. Doch schon während des Studiums verfolgte er das Ziel, sein musikalisches Talent für die Musik seiner Heimat einzusetzen. Sein Landsmann Rajery produzierte im Jahr 2002 sein erstes Album Longo und im Jahr 2008 erhielt er den Preis "Découvertes RFI musiques" des französischen Radiosenders RFI.
Taholy ist ein beinahe klassisches Singer/Songwriter Album geworden. Die sparsame Instrumentierung besteht meist nur aus Gitarre, Bass, ein paar wenige Percussion und hier und da mal eine Flöte. Stilistisch handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung des Beko, einem traditionellen A Capella Gesang, der vor allem bei Beerdigungen zum Einsatz kommt. Beka nennt man übrigens auch die 4-saitige und kastenförmige Gitarre, die auf dem Cover zu sehen ist und die mit ihrem markanten Klang für die nötigen Ecken und Kanten sorgt.
In seinen Liedern geht es allerdings durchaus um weltliche Themen wie Armut, Verrat, der Macht des Geldes aber auch um traditionelle Familienwerte und Heimweh. Was Mikea jedoch besonders am Herzen liegt ist auf die Umweltzerstörung in seiner Heimat hinzuweisen. Die Ausrodung des Waldes zerstört die Lebensgrundlage seiner Region. Gepackt werden die Songs in wunderbare und subtile Melodien, die sich ziwschen Folk und Blues bewegen und eine schier magische Anziehungskraft ausüben. Brillant!

(Contre Jour / 2009)