Montag, 27. August 2007

Khalifa Ould Eide & Dimi Mint Abba - Moorish music from Mauritania

Dank international bekannter Größen wie Ali Farka Toure oder Salif Keita ist die Musik Malis auch in unseren Breiten durchaus ein Begriff. Völlig anders verhält sich das mit dem Nachbarland Mauretanien, dessen Musik außerhalb Afrikas weitgehend unbekannt ist. Bislang habe ich nur ein einziges Album mit maurischer Musik gefunden, eben jenes von Khalifa Ould Eide & Dimi Mint Abba aus dem Jahr 1990. Und tatsächlich handelt es sich bei diesem Album um die erste und bislang möglicherweise auch einzige professionelle Aufnahme maurischer Musik der islamischen Republik Mauretanien. Dabei ist Dimi Mint Abba als Sängerin nicht nur in den Sahara Staaten sondern auch auf der arabischen Halbinsel bekannt und zählte zu jener Zeit zu den bekanntesten Sängerinnen in der muslimischen Welt überhaupt.
Als Nachfolger der Hassan Berber sind die Mauren die größte Bevölkerungsgruppe Mauretaniens deren musikalische Kultur sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und sowohl arabische als auch afrikanische Elemente vereint. Hauptmerkmale sind dabei sowohl leidenschaftlicher und ausdruckstarker Gesang als auch komplexe Rhythmen. Umgekehrt hat die maurische Musik auch die Musik anderer Kulturen beeinflusst wie z.B. den Gesang und das Händeklatschen des Flamenco und selbst der malische Gitarrist und Sänger Ali Farka Toure nannte maurische Musik im Allgemeinen und Dimi Mint Abba im Besonderen als einen seiner Einflüsse.
Maurische Musiker werden Iggawin genannt und ihr Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Iggawin Familien handeln also quasi als musikalische Konservatorien. Sowohl Dimi als auch Khalifa entstammen Familien mit einer Jahrhunderte alten musikalischen Tradition und begannen mit der Musik bereits im Alter von 8 oder 9 Jahren. Die Ausbildung der Mädchen beginnt dabei mit Tanz und dem Spiel von Percussion Instrumenten wie der Tbal oder dem Tambourin. Später erlernen sie das Spiel der Ardin, einer 14-saitigen Harfe, die mit der Kora verwandt ist. Die Jungen erlernen musikalische Theorie sowie das Spiel der Tidinit, einer Laute vergleichbar mit der malischen Ngoni. Die Tidinit steht an der Spitze in der Hierarchie maurischer Instrumente und Khalifas Vater war einer der bekanntesten Tidinit Spieler im Land. Er selbst beschloss im Alter von 12, die Schule zu verlassen und die Lieder seines Vaters zu singen.
Bei den Iggawin singen sowohl Männer als auch Frauen, wobei Gesang nicht Teil der musikalischen Ausbildung ist sondern autodidaktisch erlernt wird, also durch Zuhören anderer. Improvisation hat dadurch besonders im Gesang eine große Bedeutung so dass die maurische Sangeskunst ein hohes Maß an Können und Virtuosität erreicht hat.
Durch die Entwicklung eines städtischen Lebens, vornehmlich in der Hauptstadt Nouakchott seit etwa 1940, hat sich auch die Bedeutung der Musik in der Gesellschaft geändert. So werden Iggawins mittlerweile mehr als Künstler und weniger als Lobessänger angesehen. Dimi und Khalifa sind auch Teil einer Gruppe von Musiker in Nouakchott, die für ihre Musik nicht nur traditionelle Instrumente verwendet. Auf der vorliegenden Aufnahme wird z.B. die Tidinit auf einigen Stücken durch eine E-Gitarre ersetzt.
Wir in anderen muslimischen Gesellschaften spielt auch in der maurischen Kultur die Poesie eine wichtige Rolle und nicht wenige Mauren könne ihre Lieblingsstücke auswendig vortragen. Poesie wird als so wichtig wie die Musik selbst angesehen und ist somit unzertrennlich mit ihr verbunden. Auf dem Album findet sich neben klassischer arabische Poesie, die den Propheten preist, auch arabische Liebespoesie oder hassanische Poesie genauso wie zeitgenössische Dichtungen wie z.B. Texte über die maurische Unabhängigkeit oder Nelson Mandela.
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass dieses Album einen hochinteressanten Einblick in die maurische Musikkultur gibt. Wer also mit der Musik des Nachbarn Mali etwas anfangen kann, sollte hier durchaus mal reinhören.

(World Circuit / 1990)

Montag, 20. August 2007

Afel Bocoum - Alkibar / Niger

Afel Bocoum, malischer Sänger, Gitarrist und Songschreiber folgte Ali Farka Toures Spuren bereits zu dessen Lebzeiten. Schon im Alter von 13 Jahre spielte der 1955 geborene Musiker in der Band seines Onkels, einer Gruppe von Musikern seines Heimatdorfes Niafunké und durfte dort als Solist auch in diesem jungen Alter schon eigene Songs vortragen. Ebenfalls großen Einfluss auf seine musiklaische Karriere hatte seine Vater Kodda Bocoum, ein in Mali weitbekannter Njarka- und Njurklespieler. Den Durchbruch schaffte Bocoum 1972 bei der zweiten malischen Bienale, bei der er als Solosänger den zweiten Platz belegte. Dies ist dahingehend erstaunlich, als dass Bocoum der einzige männliche Solosänger bei diesem Festival war, bei dem sonst nur Frauen als Solisten auftraten. Zusammen mit Ali Farka Toure sang er auf Songhai, seiner Muttersprache, den Song Sukabe Mali (Children of Mali) der bis heute immer wieder mal auf Radio Mali gespielt wird. Den Erfolg verdankte er hauptsächlich seiner damals relativ hohe Stimme, weshalb im damaligen Mali hauptsächlich weibliche Sänger bevorzugt wurden. Der erste Platz wurde im übrigens nur deshalb verweigert, weil der der Volksgruppe der Songhai angehört und nicht der bevölkerungsreichsten der Bambara. Bocoum spielte noch bis 1975 in der Niafunké Gruppe. Danach studierte er dank eines Stipendiums Landwirtschaft im Südosten Malis und kehrte Jahre späte nach Niafunké zurück, wo er bis heute als Bauer und Musiker tätig ist.


Erst 1999 erschien sein internationales Debütalbum Alkibar, benannt nach seiner Band, was soviel bedeutet wie "Bote des großen Flusses". Die Gruppe, in der Bocoum neben dem Gesang auch Gitarre spielt, besteht zudem aus einem Njarka und eine Njrukle Spieler sowie zwei Percussionisten und Hintergrundsängern. Den markanten Klang verdankt die Musik aber hauptsächlich der Njarka, einer einaitigen Violine und der Njurkle, einer einsaitgen Gitarre. In seinen Liedern, bei denen man vor dem geistigen Auge den Niger vorbeifließen sieht, geht es um Themen wie Respekt gegenüber älteren Mitmenschen oder Umweltverschmutzung oder aber auch Zwangheiraten, gegen die er sich einsetzt. Auch Ali Farka Toure unterstützt ih auf diesem Album bei zwei Songs und somit ist Alkibar das erste Album, das jemals in Niafunké aufgenommen wurde. Zur gleichen Zeit entstand auch Toures Album Niafunké. Für die Produktion dieser beiden Alben ließ er extra ein mobiles Studio nach Niafunké bringen.


Schon zu Lebzeiten erklärte Ali Farka Toure Afel Bocoum zu einem musikalischen Erbe, seinem Nachfolger. Keine einfachen Aufgabe, wenn man um die Popularität Toures in Mali weiß. Bocoum meistert diese Aufgabe jedoch mit großer Bravour ohne eine bloße Kopie seines Onkels zu sein. Seine musikalische Herkunft lässt sich zwar nicht verleugnen, aber es gelingt ihm dennoch, seiner Musik eine ganz eigene Note zu verleihen. So erweiterte er seine Band auf dem zweiten Album Niger, das 2006 erschien, um einen Bassisten, der der Musik mit seinem E-Bass einen ganz besonderen Groove verleiht. Niger ist die konsequente Weiterführung von Alkibar und beginnt mit dem Stück Ali Farka, einer Ode an den verstorbenen Onkel und Mentor. Ansonsten setzt er sich auf diesem Album für die Gleichberechtigung der Frau oder auch gegen Analphabetismus ein. im Stück Mali Chinda preist der die Gastfreundlichkeit der Bewohner von Niafunké und Manni ist ein Dankeslied an den Organisator des Wüstenfestivals bei Essakane. Im Titelstück dagegen sorgt er sich um die Lebensader des Landes, die unter Umweltverschmutzung leidet und auch vom Austrocknen bedroht ist, wenn sich in Zukunft nichts ändern wird.
Die Umsetzung der Musik ist bei Bocoum weniger kantig als dass dies bei Toure der Fall ist aber nicht minder intensiv und somit ist er ein würdiger Nachfolger des vielleicht größten Musikers, den Mali je hervorgebracht hat.

(Alikibar: World Circuit / 1998)
(Niger: Contre Jour / 2005)