Dank international bekannter Größen wie Ali Farka Toure oder Salif Keita  ist die Musik Malis auch in unseren Breiten durchaus ein Begriff.  Völlig anders verhält sich das mit dem Nachbarland Mauretanien, dessen  Musik außerhalb Afrikas weitgehend unbekannt ist. Bislang habe ich nur  ein einziges Album mit maurischer Musik gefunden, eben jenes von Khalifa  Ould Eide & Dimi Mint Abba aus dem Jahr 1990. Und tatsächlich  handelt es sich bei diesem Album um die erste und bislang möglicherweise  auch einzige professionelle Aufnahme maurischer Musik der islamischen  Republik Mauretanien. Dabei ist Dimi Mint Abba als Sängerin nicht nur in  den Sahara Staaten sondern auch auf der arabischen Halbinsel bekannt  und zählte zu jener Zeit zu den bekanntesten Sängerinnen in der  muslimischen Welt überhaupt.
Als Nachfolger der Hassan Berber sind die Mauren die größte  Bevölkerungsgruppe Mauretaniens deren musikalische Kultur sich über  Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und sowohl arabische als auch  afrikanische Elemente vereint. Hauptmerkmale sind dabei sowohl  leidenschaftlicher und ausdruckstarker Gesang als auch komplexe  Rhythmen. Umgekehrt hat die maurische Musik auch die Musik anderer  Kulturen beeinflusst wie z.B. den Gesang und das Händeklatschen des  Flamenco und selbst der malische Gitarrist und Sänger Ali Farka Toure  nannte maurische Musik im Allgemeinen und Dimi Mint Abba im Besonderen  als einen seiner Einflüsse.
Maurische Musiker werden Iggawin genannt und ihr Wissen wird von  Generation zu Generation weitergegeben. Iggawin Familien handeln also  quasi als musikalische Konservatorien. Sowohl Dimi als auch Khalifa  entstammen Familien mit einer Jahrhunderte alten musikalischen Tradition  und begannen mit der Musik bereits im Alter von 8 oder 9 Jahren. Die  Ausbildung der Mädchen beginnt dabei mit Tanz und dem Spiel von  Percussion Instrumenten wie der Tbal oder dem Tambourin. Später erlernen  sie das Spiel der Ardin, einer 14-saitigen Harfe, die mit der Kora  verwandt ist. Die Jungen erlernen musikalische Theorie sowie das Spiel  der Tidinit, einer Laute vergleichbar mit der malischen Ngoni. Die  Tidinit steht an der Spitze in der Hierarchie maurischer Instrumente und  Khalifas Vater war einer der bekanntesten Tidinit Spieler im Land. Er  selbst beschloss im Alter von 12, die Schule zu verlassen und die Lieder  seines Vaters zu singen.
Bei den Iggawin singen sowohl Männer als auch Frauen, wobei Gesang  nicht Teil der musikalischen Ausbildung ist sondern autodidaktisch  erlernt wird, also durch Zuhören anderer. Improvisation hat dadurch  besonders im Gesang eine große Bedeutung so dass die maurische  Sangeskunst ein hohes Maß an Können und Virtuosität erreicht hat.
Durch die Entwicklung eines städtischen Lebens, vornehmlich in der  Hauptstadt Nouakchott seit etwa 1940, hat sich auch die Bedeutung der  Musik in der Gesellschaft geändert. So werden Iggawins mittlerweile mehr  als Künstler und weniger als Lobessänger angesehen. Dimi und Khalifa  sind auch Teil einer Gruppe von Musiker in Nouakchott, die für ihre  Musik nicht nur traditionelle Instrumente verwendet. Auf der  vorliegenden Aufnahme wird z.B. die Tidinit auf einigen Stücken durch  eine E-Gitarre ersetzt.
Wir in anderen muslimischen Gesellschaften spielt auch in der maurischen  Kultur die Poesie eine wichtige Rolle und nicht wenige Mauren könne   ihre Lieblingsstücke auswendig vortragen. Poesie wird als so wichtig wie  die Musik selbst angesehen und ist somit unzertrennlich mit ihr  verbunden. Auf dem Album findet sich neben klassischer arabische Poesie,  die den Propheten preist, auch arabische Liebespoesie oder hassanische  Poesie genauso wie zeitgenössische Dichtungen wie z.B. Texte über die  maurische Unabhängigkeit oder Nelson Mandela.
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass dieses Album einen  hochinteressanten Einblick in die maurische Musikkultur gibt. Wer also  mit der Musik des Nachbarn Mali etwas anfangen kann, sollte hier  durchaus mal reinhören.
(World Circuit / 1990)
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