Donnerstag, 19. März 2009

Staff Benda Bilili - Très Très Fort

Ein Juwel aus dem Herzen Afrikas ist dieses Album, das seinem Titel voll und ganz gerecht wird. Und auch als Hörer ist man gleichermaßen überwältigt von Anmut und Schönheit dieser Musik einerseits und ihrer Tanzbarkeit andererseits. Was diese Gruppe von Straßenmusikern aus Kinshasa hier zaubert, ist schlicht und ergreifend nicht von dieser Welt. Im Kern bestehend aus 4 Sängern und Gitarristen sowie dem 17-jährigen, ehemaligen Straßenkind Roger Landu, der mit seinem selbst entwicke^lten und gebauten Instrument Satonge nicht unerheblich am Sound der Band beteiligt ist, spielt diese Band basierend auf der kongolesischen Rumba eine ganz eigene Musik, die u.a. Son mit Funk und Soul sowie lokalen Spielarten kombiniert.

2 größere Gruppen finden sich auf Kinshasas Straßen. Zum einen die körperlich Behinderten, die mit ihren Tricycles, das sind 3-rädrige und motorisierte Rollstühle, unterwegs sind und zum anderen die Straßenkinder, die sog. Sheges, die oft vor der Gewalt in ihren Familien geflohen sind. Beide Gruppen profitieren voneinander und so kommt es nicht von ungefähr, dass der 17-jährige Roger von einem der Sänger adoptiert wurde. Sein selbstgebautes Instrument, die Satonge, besteht im Grunde aus einer Blechdose, an der ein Holzbogen angebracht ist, auf den eine einzelne Gitarrensaite gespannt wird. Und trotz seiner Einfachheit ist Roger ein wahrer Virtuose an diesem Instrument, und sorgt mit Melodien und wunderbaren Soli für einen unverwechselbaren Sound, den man gleich im ersten Stück Moto Moindo eindrucksvoll demonstriert bekommt. Es handelt davon, dass sich Afrika in erster Linie selbst helfen muss und auf falsche Entwicklungshilfe gerne verzichten kann und ist angelegt als klassisches Rumbastück inklusive Sebene, also jenem Break, der etwa in der Mitte des Stücks in ein Uptempo Finale mündet. Polio ist dagegen eine herzzereißende Rumbaballade mit gleich zwei Botschaften: zum einen fordert es Eltern auf, ihre Kinder gegen Polio (Kinderlähmung) impfen zu lassen, zum anderen zeigt es, dass man es trotz der Behinderung zu etwas bringen kann, was man am Beispiel der Musiker deutlich nur allzu deutlich sieht. Je t'aime dagegen basiert auf einem hypnotischen Funkrhythmus und demonstriert die Vielseitigkeit der Band die auch schon mal richtig und auf ihre völlig eigene Art losrocken kann, wie Sala Mosala trefflich zeigt.
Die Musiker leben allesamt in der Gegend des zoologischen Gartens in Kinshasa und dort wurde auch der größte Teil des Albums aufgenommen. Die Hintergrundgeräusche hat man meist gar nicht erst entfernt, was auch nicht weiter stört sondern den einzigartigen Charakter dieses Album eher noch zusätzlich unterstreicht.

Auf der Crammed Page finden sich 4 sehenswerte Videos (auch auf CD enthalten), darunter ein Trailer zum Film von Renaud Barret und Florent de la Tullaye über die Band, die im Observer von Damon Albarn vor kurzem bereits jetzt zur besten Newcomer Band 2009 gekürt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass er damit am Ende Recht behalten dürfte, ist ziemlich hoch. Und selbst wenn es um den Titel "Album des Jahres" geht dürfte Très Très Fort ganz vorne mit dabei sein. Très Très Fort!

(Crammed / 2009)

Donnerstag, 12. März 2009

Daby Touré & Skip McDonald - Call My Name

Warum nur eine EP und kein ganzes Album? Diese durchaus berechtigte Frage stellt sich nach dem gerade mal knapp 26 minütigen Vergnügen. Dabei zeigt diese Kollaboration, dass beide wie füreinander geschaffen zu sein scheinen. Daby Touré, der Singer/Songwriter aus Mauretanien und Skip McDonald, der Bluesman aus Dayton/Ohio, besser bekannt als Little Axe. Zu hören gibt es 3 Songs von Touré, 2 von McDonald und das Titelstück als Gemeinschaftsarbeit. Beide Musiker steuern neben dem Gesang, Touré sowohl in Englisch als auch in seiner Muttersprache, auch Gitarre, Bass und Schlagzeug bei. Zusätzlich werden sie noch vom Schlagzeuger Keith LeBlanc unterstützt. Mehr braucht es dann auch nicht, um dieses kurze aber nicht minder intensive Werk zu zelebrieren. Gleich das erste Stück, Daby Tourés famoses Past Time, zieht einen in den Bann des Albums, der bis zum Schluss anhält. Schön zu hören sind hier die Gegensätze im Gesang der beiden Protagonisten. Dabys eher sanfte Stimme in den Strophen und Skip als rauer Gegenpol im Refrain. Ein magisches Stück, das auch auf Toure´s letztem Album, dem formidablen Stereo Spirit zu den Highlights gezählt hätte. Aber auch die beiden McDonald Tracks sind gleichermaßen superb, zum einen das epische Sinners mit seinen schillernden Gitarren, mächtigen Percussion und Tourés griotartigem Klagegesang, zum anderen eine Neubearbeitung von Time Has Come. Das gleichermaßen flotte wie ergreifende Will You Call My Name? ist den Straßenkindern Afrikas gewidmet und kombiniert mit unbeschwerter Leichtigkeit Tradition und Moderne, ein Umstand, der im Prinzip für das gesamte Album Gültigkeit hat. Bitte mehr davon!

(Real World Records / 2009)

Mittwoch, 4. März 2009

Oumou Sangare - Seya

Oumou Sangare, die gerne auch als "The Songbird of Wassoulou" bezeichnet wird, ist musikalisch bis heute ihrer Heimat im Südwesten Malis treu geblieben. Bereits mit ihrem ersten Ende der 80er in Abidjan produzierten und zunächst nur als Kassette erhältlichen Album Moussolou konnte die Sängerin weit über die Grenzen Malis hinaus einen Erfolg landen, auch dank unzähliger Raubkopien. So wurde man auch beim englischen Label World Circuit auf sie aufmerksam und nahm sie, auch Dank der Erfolge ihres Landsmannes Ali Farka Toure, unter Vertrag und veröffentlichte Moussolou noch einmal für den internationalen Markt. Zwei weitere Alben erschienen bis Mitte der 90er ehe eine erste längere Pause folgte, was aber nicht bedeutet, dass sie in jener Zeit untätig gewesen wäre. So produzierte sie für ihre Heimat weiterhin Kassetten, von denen einige Stücke auf der 2003 erschienen Werkschau Oumou zu hören sind. Nach weiteren 6 Jahren erschien nun vor kurzem das lange erwartete 4. Album Seya.

Seya ist ein bemerkenswertes Album geworden, ein Album, das die Messlatte für kommende Veröffentlichungen in diesem Jahr recht hoch legt. In der Tat ist es immer wieder erstaunlich, welche musikalischen Juwelen aus Mali kommen und dabei klingt Oumou Sangare so modern wie nie zuvor, ohne jedoch auf ihre Wassoulou Traditionen zu verzichten. Anders gesagt, Seya ist modern genug, um vor einem heimischen Publikum zu bestehen, aber eben auch traditionell genug, um ein europäisches Publikum in Verzückung zu versetzen. Einen ersten Eindruck bekam man schon von der superben Vorabsingle des Titelstücks, bei dem sie von Pee Wee Ellis am Saxofon unterstützt wird und das die typischen Wassoulou Rhythmen mit Funk kombiniert. Eine äußerst gelungene Kombination, die sich auch im ersten Stück des Albums Sounsoumba findet und bei dem der Funkgroove noch durch ein Balafon verstärkt wird. Sukunyali, eine Hommage an die maurische Minderheit in der Soninké Region, taucht dann tief ein in die Wassoulou Region. Begleitet von Bassekou Kouyate an der Ngoni wird dieses Lied auch in der Soninké Sprache gesungen. Es ist schon beeindruckend, wie Sangare hier verschiedenste Stile auf Basis der eigenen Traditionen kombiniert. So ist Kounadya eine Art Wüstenreggae inklusive Hammond Orgel und feinen Licks auf der E-Gitarre. Sangare erweist sich übrigens nicht nur als hervorragende Sängerin sondern auch als vorzügliche Songwriterin und greift nur einmal auf ein altes Wassoulou Lied zurück. Donso ist mit seinen seelenvollen Streichern und den flirrenden Gitarren ein episches und symbolbehaftetes Stück, bei dem die Körperteile eines erlegten Tieres sinnbildlich für Hilfestellungen in verschiedenen Lebenslagen stehen. In ihren eigenen Texten dagegen geht es oft um die Stellung der Frau in einer nach wie vor von Männern dominierten Gesellschaft. So richtet sie sich im Uptempo Stück Wele wele wintou gegen Zwangsheirat. Selbst vom eigenen Vater in ihrer Kindheit wegen einer anderen Ehefrau im Stich gelassen, setzt sie sich auch verstärkt gegen Polygamie ein und macht dies auch immer wieder zum Thema ihrer Songs.
Iyo djeli wird ein weiteres mal auf dem Album durch soulige Streicher veredelt, basiert aber im Gegensatz zu Donso auf treibenden Percussion Rhythmen. Im abschließenden Koroko wird sie schließlich von ihrem neuen Labelkollegen Tony Allen am Schlagzeug begleitet und zeigt, dass auch Afrobeat kein Problem in ihrem musikalischen Kosmos ist. Zwei Sabartrommler verpassen dem Stück gegen Ende gar senegalesisches Flair.

Ein vielschichtiges und abwechslungsreiches und dennoch homogenes Album ist Seya geworden. Auch das Artwork kann sich sehen lassen und zeigt, dass man sich im Hause World Circuit nach wie vor größte Mühe gibt. Dazu gehört auch, dass sämtliche Texte sowohl in Englisch als auch in Französisch vorliegen. Ein Rundumglücklichpaket also und Maßstab für weitere Veröffentlichungen in diesem Jahr.

(World Circuit / 2009)