Dienstag, 28. Juli 2009

Justin Adams & Juldeh Camara - Tell No Lies

Yeah! Das erste Stück heißt Sahara und so rau und heiß wie das Wüstenklima ist auch der erste Song dieses außergewöhnlichen Albums. Ein krachig schepperndes Gitarrenriff trifft auf Djembe Rhythmen und Juldeh Camaras Ritti, eine einsaitige, westafrikanische Geige. Stellt sich die Frage, wo man diese Musik einordnen soll. Desert Punk? Zumindest das Riff ist sehr punklastig und erinnert mich entfernt an Zero Zero UFO von den Ramones. Aber der Gambier Juldeh Camara, der neben dem Spiel der Ritti auch für den Gesang zuständig ist, ist natürlich kein Punk sondern ein Griot und somit prallen hier zwei auf dem Papier sehr unterschiedliche musikalische Welten aufeinander, was nicht zwangsläufig funktionieren muss, hier aber ganz ausgezeichnet zusammenpasst. Ein derart wildes Stück wie Sahara kommt danach zwar nicht mehr, das Rohe und Unbehauene bleibt jedoch erhalten und wird in einer Mischung aus Rhythm and Blues und Desert Blues geerdet. Ersteres hört man vor allem bei Kele Kele (No Passport No Visa) das zu allem Überfluss auch noch über eine unwiderstehliche und ohrwurmartige Melodie verfügt. Der Fulani Coochie Man vereinigt dagegen, wie man sich bei dem Titel sicher vorstellen kann, amerikanischen mit westafrikanischem Blues. Der hochkarätige Rest pendelt meist irgendwo dazwischen und im epischen Gainako wird dann auch mal ein Gang zurückgeschaltet und eine akustische Gitarre verwendet. Es ist immer wieder beeindruckend, wenn Ritti und Gitarre aufeinandertreffen, zumal Camaras Instrument nach eigenen Aussagen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der nur einen Saite sehr unterschiedliche Klangfarben und Stimmungen zu Tage fördern kann. An manchen Stellen klingt sie wie eine Bluesharp, an anderen Stellen wie eine kelitische Geige und dann wieder wie eine westafrikanische Hirtenflöte. Dazu gesellt sich dann Justin Adams' rauhe Gitarre und sorgt somit für ein unvergleichliches Klangerlebnis. Adams, der auch schon mit Jah Wobble, Robert Plant oder Natcha Atlas zusammengearbeitet und das Debütalbum von Tinariwen produziert hat, fügt den westafriknischen Traditionen somit neue Nuancen zu. Für das Rhythmusfundament sorgt Salah Dawson Miller und als Referenzen seien hier noch Muddy Waters und Bo Diddley genannt. All diese Zutaten sorgen schließlich für ein eigenständiges Werk, das Altbekanntem neues Leben einhaucht.

(Real World Records / 2009)

Montag, 20. Juli 2009

Mayra Andrade - Live in Karlsruhe (19.07.2009) / stória, stória...

Ich muss gestehen, dass die Musik der Kapverden bei mir bislang nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst hat. Mayra Andrade bildet hier die Ausnahme, was vielleicht auch daran liegen mag, dass sie die Musik ihrer Heimat, die typische Melancholie der Kapverden, mit westafrikanischen, brasilianischen, kubanischen und auch französischen Einflüssen mischt und hier und da mit ein paar Jazztupfern versieht. Hinzu kommt diese leicht angerauhte Stimme, die viel erwachsener und lebenserfahrener klingt als man das von einer gerade mal 24-Jährigen erwarten würde. Wobei es der auf Kuba geborenen und auf Kap Verde, in Angola und in Frankreich aufgewachsenen Andrade sicher nicht an Lebenserfahrung mangeln dürfte. Wirkte sie bei ihrem Auftritt in Würzburg vor 3 Jahren noch etwas schüchtern, so wickelt sie ihr Publikum auf der aktuellen Tour mit jeder Menge Charme und Eleganz um den kleinen Finger, kokettiert mit ihrem manchmal etwas holprigen Englisch ("Gestern war mein Englisch viel besser. Ehrlich!") oder lobt mit einem Augenzwinkern die deutsche Perfektion. Einziger Wehrmutstropfen beim Konzert in Karlsruhe waren die Stuhlreihen, die bis vor an die Bühne aufgebaut wurden. Ansonsten war es aber ein wunderbares Konzert, das sich vor allem auf die Vorstellung des neuen Albums stória, stória... konzentrierte. Dabei wurde die Rhythmik vor allem durch den brasilianischen Perkussionisten Ze Luis Nascimiento gegenüber dem Album noch deutlich verstärkt. Flink wie ein Wiesel wechselte er zwischen einer ganzen Batterie von Instrumenten und sorgte bisweilen für eine Dynamik, welche die Stuhlreihen noch überflüssiger erscheinen ließ, als sie dies eh schon waren. Der kamerunischen Bassist Etienne M’Bappé sorgte dagegen hier und da für funkige Elemente und beim großartigen Luo vom Debüt Navega sang Andrade zunächst nur vom Bass begleitet, ehe die Percussion einsetzten.

Im Gegensatz zum Konzert wirkt auf dem Album alles etwas zurückhaltender und noch detailfreudiger, als dies beim Liveauftritt schon der Fall war. So sorgt im Stück Tchápu na bondera eine Kora für Akzente, während bei Seu eine einsame Trompete ein paar Jazztupfer setzt. Seu ist auch ein schönes Beispiel dafür, dass Mayra Andrade auch ein Händchen für das Songwriting hat, eine Fähigkeit, die sie hier aber leider nur 5 mal unter Beweis stellt, darunter auch Odjus fitchádu eine Kollaboration mit dem Israeli Idan Raichel, das auf einem kapverdischen Rhythmus, dem sogenannten Coladeira, basiert oder Mon carrousel, ein rhythmusbetontes Stück mit einer chansonartigen Melodie, das auch auf französisch gesungen wird. Aber auch die restlichen Stücke, darunter Songs ihres Gitarristen und kapverdischen Multiinstrumentalisten Kim Alvés wissen zu überzeugen. Auch die meisten anderen Fremdkompositionen wurden speziell für Mayra Andrade geschrieben, wobei die Autodidaktin, die keine Noten lesen kann, immer konkrete Vorstellungen davon hat, wie sie die einzelnen Songs umsetzen möchte und sie somit quasi zu ihren eigenen macht. Und das funktioniert auf stória, stória... ausgesprochen gut.

Montag, 6. Juli 2009

Vieux Farka Touré - Fondo

Auf seinem Debütalbum wurde er noch von seinem Vater unterstützt, jedoch ließ er schon damals eine gewisse Eigenständigkeit durchblicken. Folgerichtig erschien von dem Album auch eine Remixversion mit allerlei Beats und Loops und sonstigen elektronischen Spielereien, die dem Puristen übel aufgestoßen sein dürften. Vieux selbst hielt es jedoch für die bessere Version. Wie dem auch sei, mit Fondo kehrt Vieux zumindest teilweise zu den Wurzeln zurück, emanzipiert sich aber dennoch endgültig vom schweren Erbe. Die Blues Strukturen sind zwar vorhanden aber weit weniger ausgeprägt, als dies bei Ali Farka Toure, dem das Album übrigens gewidmet ist, der Fall war. Die Musik pendelt zwischen Wüstenblues und Wüstenrock wozu nicht zuletzt auch der Einsatz eines Schlagzeuges beiträgt, das im Stück Aï Haïra zusammen mit traditionellen Percussion für irrwitzige Rhythmen sorgt und bei dem er von seinem Cousin Afel Bocoum gesanglich unterstützt wird. Den Wüstenblues mit seinen flirrenden Gitarren gibt es dann im ruhigen und doch atmosphärisch dichten Souba Souba. Beide Stücke zeigen die Flexibilität und den Variantenreichtum in Vieux Farka Toures Gitarrenspiel, das zusammen mit seiner kräftigen Stimme nahezu perfekt harmonisiert. Besonders gut zur Geltung kommt dies u.a. im Stück Sarama, das mit seinem Wechsel zwischen laut und leise und seinem Drumbeat eine Art Prototyp des Wüstenrock sein könnte. Wobei man bei Rock freilich nicht an breitbeinigen weißen Hardrock denken sollte, vielmehr erinnern die leichfüßigen Rhythmen an klassichen Rhythm and Blues. Und in diesem Kontext ist auch ein traditionelles Stück wie Walé, bei dem er einmal mehr von Afel Bocoum am Mikro unterstützt wird, nicht Fehl am Platz und auch sein Vater hätte das wohl nicht besser hinbekommen. Am Ende des Albums gibt es noch das Instrumentalstück Paradise, bei dem er von Toumani Diabate an der Kora unterstützt wird. Diabate, der auch schon beim ersten Album dabei war, liefert hier ein wunderbares Zusammenspiel mit Vieuxs Gitarre und zeigt, dass auch E-Gitarre und Kora gut miteinenander harmonisieren können.
War das Debüt schon äußerst gelungen, so liefert Vieux Farka Toure mit seinem zweiten Album nicht weniger als sein Meisterwerk ab. Fondo ist knallharte Konkurrenz zum Staff Benda Bilili Album, und das will in diesem Jahr schon etwas bedeuten.

(Six Degrees / 2009)

Freitag, 3. Juli 2009

Rokia Traoré live in Karlsruhe (02.07.2009)

Zugegeben, ich habe es mir im Vorfeld schon ein paar Takte ruhiger vorgestellt, zumal die 4 Alben ja auch meist eher zurückhaltend sind. Auf der Bühne befanden sich lediglich Schlagzeug, Bass und Gitarre, am Rand waren noch 3 oder 4 Ngonis aufgebart. Kurz vor Beginn kam noch der Veranstalter auf die Bühne und bat die sitzenden Gäste, sich doch nach hinten und an die Seite zurückzuziehen, damit vor der Bühne ausreichend Platz zum tanzen bleibt. Gut so, denn es zeigte sich schnell, dass Rokia Raoré live sagen wir mal deutlich schwungvoller zu Werke geht. Und dabei erweist sie sich nicht nur als ausgezeichnete Sängerin und Songschreiberin sondern auch als fabelhafte Tänzerin, wenn sie nicht gerade hinter der beinahe überdimensional wirkenden Gretsch Gitarre verschwindet. Diese kam jedoch leider nur einmal beim Übersong Dounia zum Einsatz, das hier nicht wie auf dem Album den Anfang machte, sondern mehr in der Mitte des Konzertes gespielt wurde und das am Ende noch heftiger geriet, als man es vom Album her kannte. Immer wieder zum in die Knie gehen. Auch sonst wurde das Hauptmerkmal auf das aktuelle Album Tchamantché gelegt, aus dem einige Stücke gespielt wurden, darunter Aimer, Zen und natürlich zu Ehren von Billie Holiday, nach eigenem Bekunden eine ihrer Lieblingskünstlerinnen, die Gershwin Komposition The Man I Love. Vor dem abschließenden Stück Tounka gab es noch eine Ansage zu Migration und dem Reichtum Afrikas, der völlig falsch verteilt ist. Nach einer Stunde war der offizielle Teil dann zu Ende doch es folgte eine gut halbstündige Zugabe mit Bandvorstellung, bei der vor allem der Bassist, der schon während des ganzen Abends für funkige Akzente sorgte, als warer Könner erwies und hier nun wie entfesselt spielte. Angespielt wurde auch Fela Kutis Lady und Miriam Makebas Pata Pata und am Ende gab es stehende Ovationen und nicht enden woller Beifall des Publikums, der die Band schließlich für eine weitere Zugabe auf die Bühne zurück holte. Im Zelt herrschten mittlerwiele subtropische Verhältnisse, und das lag sicher nicht nur an den sommerlichen Abendtemperaturen.