Freitag, 19. Dezember 2008

Terakaft - Akh Issudar

Ein altes Tuareg Sprichwort lautet: "Aman Iman, Akh Issudar (Wasser ist Leben, Milch ist Überleben)". Zusammen mit Tinariwens letztem Album Aman Iman würde Akh Issudar genau dieses Sprichwort ergeben. Und in der Tat ist dies nicht die einzige Verbindung, die zwischen diesen beiden Gruppen besteht. Gegründet wurde Terakaft von den beiden Sängern und Gitarristen Kedou ag Ossad und Liya Ag Ablil. Kedou begleitet Tinariwen im Jahr 2001 beim ersten Festival au Desert bei Tin-Essako und wirkte bei 4 Stücken auf deren Debütalbum The Radio Tisdas Sessions mit. Allerdings erntschloss er sich schnell dazu, einen anderen Weg einzuschlagen und gründete zusammen mit Liya Ag Ablil Terakaft. Zum Trio komplettiert wird die Gruppe durch Sanou Ag Ahmed, einem weiteren Gitarristen und Sänger. Das Live Debüt hatte die Band im Jahr 2007 beim Festival au Desert und kurz darauf erschien auch das Debütalbum Bismilla (The Bko Sessions). Nach einer ausgiebigen Europa Tournee, die auch einen gemeinsamen Auftritt mit Tinariwen im Pariser Olympia beinhaltete, nahm die Band in Frankreich ihr zweites Album Akh Issudar auf.

Wenn man Akh Issudar mit Tinariwens Aman Iman vergleicht, stellt man schnell fest, dass Terakaft noch reduzierter zu Werke gehen als ihre erfolgreichen Landsmänner. Die Call & Respone Gesänge und die bluesigen Strukturen sind vorhanden, dies jedoch noch mehr auf das Wesentliche reduziert. Es gibt keine Percussion, keine traditionellen Instrumente sondern nur Gitarren und hier und da mal ein Bass, der auch schon mal funkig aufspielen darf. Die meist elektrisch verstärkten Gitarren sorgen des öfteren für rollende Rhythmen, welche die Musik auflockern. Als Blues'n'Roll könnte man das quasi bezeichnen und trotz der kargen Musiklandschaft gibt es auf diesem Album keinerlei Längen. Und obwohl es die Band gar nicht nötig hätte, wird sie hier und da von Tinariwen Mitgliedern unterstützt. So stammen die beiden Stücke Tenere Wer Tat Zinchegh und Iswegh Atay aus der Feder von Inteyeden Ag Ablil, dem großen Bruder von Liya Ag Ablil. Ersteres wird on Inteyeden auch gesungen. Islegh Teghram stammt dagegen aus der Feder von Ibrahim Al Aghabib. Die restlichen Stücke sind Eigenkompositionen oder selbst arrangierte traditionelle Stücke. So trifft in Djer Aman eine luftig lockere Melodie auf harte Gitarrenanschläge und in Legh Assistane Dagh Aïtma faszinieren die Wechsel zwischen akustischer un elekrischer Gitarre während in Amdagh der Rhythmus seltsam neben der Spur zu liegen scheint. Allen Stücken gemeinsam ist der immer großartige Klang der 3 Gitarren, die nie ins Dudelhafte abschweifen sondern sich immer dem Song unterordnen. Soli sucht man hier glücklicherweise vergeblich.

Akh Issudar ist ein weiterer Höhepunkt in einem an Höhepunkten nicht armen Jahr und Terakaft müssen sich vor der "Konkurrenz" von Tinariwen oder auch Toumast ganz und gar nicht verstecken. Möge die Milch noch lange nicht ausgehen.

(World Village / 2008)

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Kasai Allstars - In the 7th moon, the chief turned into a swimming fish and ate the head of his enemy by magic

Den Preis für den Albumtitel des Jahres hätte diese Gruppe aus dem Kongo schon einmal sicher. Nicht nur dass er Assoziationen zu Captain Beefhearts's Magic Band weckt, auch die Musik ist für europäische Ohren bisweilen durchaus avantgardistisch anmutend. Nein, mit Don Van Vliets Deltablues und Freejazz hat das natürlich nichts zu tun, mit uns bekannten Hörgewohnheiten allerdings auch nicht. Das in Kinshasa ansässige Kollektiv besteht aus 25 Musikern aus 5 verschiedenen Bands, die alle aus der Kasai Region im Süden der Demokratischen Republik Kongo stammen. Jede Band gehört wiederum einer anderen ethnischen Gruppe an: Luba, Songye, Lulua, Tetela und Luntu. Jede dieser Gruppen hat ihre eigenen Sprache, Kultur und Tradition und das Nebeneinander war in der Vergangenheit nicht immer friedlich. Dennoch gelingt es den Musikern all diese Unterschiede zu einer Einheit zu verschmelzen. Eine Einheit, die völlig frei ist von bekannten Stilen wie Soul, Funk oder Jazz, denn die Kasai Allstars beziehen sich musikalisch auf vorkoloniale Traditionen, welche durch die Christianisierung durch die Europäer, die in den erotischen Tänzen und der heidnischen Musik Teufelswerk sahen, größenteils verbannt wurden. In den Dörfern der Kasai Region, die trotz Reichtum an Bodenschätzen zu den ärmsten Regionen des Landes zählt, hat das bis heute Gültigkeit. In den Großstädten besinnt man sich jedoch zunehmend dieser alten Traditionen.

Ganz frei von westlichen Einflüssen ist die Musik dann allerdings doch nicht, so spielt die elektrisch verstärkte Gitarre neben einer Reihe traditioneller Instrumente eine entscheidende Rolle und entfaltet hier auch einen recht eigenständigen Klang, der sich perfekt in das Klangbild einfügt. Neben Xylophon und Likembe, dem kongolesischen Daumenklavier, das hier ebenfalls elektrisch verstärkt wird, fällt vor allem ein Instrument namens Tam Tam auf, ein Percussion Instrument, das vom Klang her dem Zirpen einer Grille nicht unähnlich ist. Daneben gibt es noch jede Menge weiterer Percussion, die für ein polyrhythmisches Fundament sorgen. Dazu erklingen beseelte Gesänge und mal psychedelische, mal rumbaesque Gitarren. Das alles wird verpackt in 9 lange, bisweilen tranceartige und hypnotische Stücke, die für ein durchaus organisches, auf jeden fall aber unglaublich intensives Klangbild sorgen. Es ist schlicht und ergreifend beeindruckend, wie hier die Gegensätze zu einer Einheit zusammenfinden. Denn es galt ja nicht nur, neue Instrumente zu integrieren, sondern auch dafür zu sorgen, dass die 5 Ethnien gleichberechtigt und zu gleichen Anteilen präsentiert werden. Für die Musiker bedeutete das, dass sie z.T. ungewohnte Passagen einstudieren mussten.
Stellvertretend sei hier das erste Stück Quick As White genannt, das natürlich nicht auf englisch gesungen wird aber bereits über all diese großartigen Zutaten verfügt: brodelnde Polyrhythmen, die über ca. 8 Minuten am Köcheln gehalten werden, feine, sich wiederholende Motive auf der E-Gitarre und eine Gesangstimme, die im Wechsel mit einem Chor für eine Art Melodie sorgt. Eingespielt wurde das Album übrigens bis auf eine Ausnahme live in Kinshasa.

In the 7th moon... wurde als dritter Teil der Congotronics Reihe des belgischen Labels Crammed veröffentlicht.

(Crammed / 2008)