Donnerstag, 13. Dezember 2007

Tony Allen - Afro Disco Beat

Tony Allens Bedeutung für Africa 70 kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Als Schlagzeuger und musikalischer Direktor prägte er den Sound dieser Band entscheidend mit und gilt zusammen mit Fela Kuti als Erfinder des Afrobeat. Kennengelernt haben sich Fela und Tony Allen bereits 1964, als sich Allen um die Stelle des Schlagzeugers in Felas damaliger Band bewarb. Fela war von Anfang an erstaunt über Allens Fähigkeiten gleichermaßen Jazz und Highlife spielen zu können und sagte einmal, dass es klinge als würden 4 Schlagzeuger gleichzeitig spielen. Dennoch hatte Allen innerhalb dieser Band und auch später bei Africa 70 keine Sonderstellung und enthielt die gleiche Entlohnung wie die anderen Mitglieder auch. Fela, als offizieller Leiter der Band und Betreiber des Shrine Clubs in Lagos in dem sie regelmäßig auftrat, kümmerte sich um die Einnahmen und zahlte den Mitgliedern der Band den Lohn. 1974 kam es schließlich zum Streik der Bandmitglieder, da sie auf diesem Weg eine höhere Entlohnung erreichen wollten. Auch Allen nahm an den Streiks teil worüber Fela einigermaßen entsetzt gewesen sein muss. Als Kompromiss bot Fela seinen Bandmitlgiedern schließlich an, selbst Alben aufzunehmen und sie dabei auch zu unterstützen, eine höhere Entlohnung lehnte er jedoch kategorisch ab. Und so kam es, dass Tony Allen anfang 1975 den Wunsch äußerte, ein Album aufzunehmen. Im selben Jahr erschien Jealousy, das erste Album, produziert von Fela, der selbst auch am Saxophon mitwirkte, jedoch nur auf dem Album und nicht bei Liveauftritten. Jealousy unterschied sich noch kaum von anderen Africa 70 Produktionen aus jener Zeit und bestand aus 2 langen Stücken. Das Titelstück beschreibt Neid und Eifersucht innerhalb der nigerianischen Gesellschaft und war durchaus auch an die Adresse Felas gerichtet, auch wenn Allen selbst das nie laut ausgesprochen hat. Den Gesang übernahm Allen übrigens nicht selbst, da er nach eigener Auskunft zu jener Zeit noch nicht in der Lage war, gleichzeitig Schlagzeug zu spielen und zu singen sondern überließ es Shina Abiodun, einem Percussionisten.
1976 war ein hektisches Jahr für Fela und Africa 70. Ein Jahr, in dem die Band insgesamt 8 Alben veröffentlichte, darunter das legendäre Zombie, mit ein Grund, warum 1977 die Militär Junta zum Angriff auf Kalakuta, Felas Staat im Staat, bließ, in dessen Verlauf das Anwesen niedergebrannt und Felas Mutter umgebracht wurde. Dennoch machten sich Fela und Allen an die Aufnahmen zu Progress, dessen zweiten Album. Allen beteiligte sich dieses mal an der Produktion und Fela steuerte erneut sein unvergleichliches Saxofonspiel bei. Den Gesang übernahm hier und auf den folgenden zwei Alben Candido Obajimi. Wie der Titel schon vermuten lässt, handelt es sich bei Progress tatsächlich um einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem Debüt. Wiederum bestand das Album aus nur zwei langen Stücken, von denen sich vor allem Afro Disco Beat deutlich vom üblichen Africa 70 Sound entfernte. Im Zentrum steht hier noch mehr als zuvor Allens Schlagzeugspiel, das zum einen für ungewöhnliche Rhythmen sorgt aber auch weit darüber hinausgeht. Für Allen selbst ist das Schlagzeug weit mehr als ein Rhythmusinstrument sondern auch ein Ersatz für den Gesang: let the drums do the talking.
Das dritte Album No accomodation for Lagos wurde 1978 in Lagos aufgenommen. 1978 war das Jahr, in dem sich Fela von der Militäreatacke aus dem Jahr zuvor wieder erholte und die musikalischen Differenzen zwischen ihm und seinem Schlagzeuger zunehmend größer wurden was schließlich zur Trennung führte. No accomodation for Lagos ist das bis dahin politischste Album und selbst Fela war überrascht über die deutlichen Worte des Titelstückes, in dem es um Bauprojekte geht, bei denen Bewohner von Slums vertrieben wurden. Jedoch wurden live immer nur die Instrumentalversionen der Songs gespielt, da sie quasi als Vorprogramm der eigentlichen Africa 70 Konzerte dienten. Das Stück befindet sich übrigens bis heute im Live Repertoire und dessen Thematik wurde im Lauf der Zeit auf andere afrikanische Metropolen ausgeweitet.
Das 4. Album No Discrimination war das erste Album nach der Trennung von Fela. Tony Allen formierte dazu seine eigene Band The Afro Messengers und war zum ersten mal in seinem Leben auch in Besitz eines eigenen Schlagzeugs. Überraschenderweise besteht das Album aus 4 Stücken, eine Tatsache, die Allen schon bei früheren Produktion gerne durchgesetzt hätte, was aber immer am Veto Felas scheiterte, für den ein Album aus nicht mehr als 2 Stücken bestehen durfte. Aber auch musikalisch entwickelte sich Allen weiter und setzte z.B. erstmals auch auf den Einsatz von Synthesizern.

Afro Disco Beat vereint nun die ersten 4 Alben Tony Allens und dokumentiert vorzüglich die Entwicklung eines Ausnahmeschlagzeugers, der gerne vergessen wird, wenn John Bonham mal wieder aus unerfindlichen Gründen irgendwelche Bestenlisten anführt. Als Ergänzung zu den Fela Alben ist diese Anthologie in jedem Fall unverzichtbar.

(VampiSoul / 2007)