Montag, 31. März 2008

Terrence Ngassa - Ngassalogy Vol. 1

Terrence Ngassa hat ein Problem, er muss die Qualität der Präsentation seiner kommenden Alben zumindest ein bisschen der Klasse der darauf enthaltenen Musik anpassen. Es ist wirklich erstaunlich, wie man im Jahr 2008 einem Album ein derart schlechtes und unprofessionelles Artwork verpassen kann. Und das ist sicher keine Frage des Geldes, denn jeder Billigsampler vom Mediamarkt-Wühltisch sieht besser aus und selbst ich schieße mit dem Handy bessere Fotos. Wenn man Ngassa dann allerdings live erlebt hat, spielt das Cover keine Rolle mehr. Nach 2 von 3 45-minütigen Sets im Heilbronner Cave 61 bin ich hinter die Bühne und traf auf einen sichtlich überraschten Ngassa. Sehr sympathisch, aber nicht besonders verkaufsfördernd, denn ich war der erste, der an jenem Abend sein Album kaufen wollte. Ich habe ihm dann schließlich dazu geraten, seine CDs doch auf der Bühne anzubieten, damit die Leute auch sehen, dass es etwas zu kaufen gibt, was wohl dann auch tatsächlich geholfen hat.

Der 1974 in Bamenda in Kamerun geborene Musiker erbte die Begabung und die Leidenschaft für die Musik von seinem Vater, der heute noch ein bekannter und beliebter Trompeter in seiner Heimat ist. Schon zu Beginn seines Studiums gründete er mit gleichgesinnten Kommilitonen eine Band. Er studierte zwar zunächst Geschichte, dennoch nahm die Musik einen weitaus wichtigeren Teil seines Lebens ein und so spielte er ausgiebig auf Festivals u.a. auch in Yaounde, der Hauptstadt Kameruns wo er auch mehrfach als bester Trompeter seiner Heimat ausgezeichnet wurde.
Es war der Direktor des örtlichen Goethe Instituts, der ihn förderte und dazu riet, eine deutsche Musikhochschule zu besuchen. Dank eines Stipendiums des DAAD landete er schließlich im Jahr 2000 an der Kölner Musikhochschule. Dort lernte er Theorie und Notenlesen und konnte dies mit den Klängen und Traditionen westafrikanischer Musik kombinieren, was sich schließlich auch in seinen eigenen Kompositionen wiederfindet.

Die an jenem Abend gespielten Stücke finden sich auch zum größten Teil auf seinem ersten Album Ngassalogy Vol. 1, ein Album, das aus 10 Stücken besteht, die Terrence Ngassa alle selbst komponiert hat. Das Stück, das dem Album den Namen gibt, war seine erste Eigenkomposition überhaupt, ein mitreißendes Stück, das frei übersetzt bedeutet, dass man immer erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren sollte. Ngassa versteht es aufs Vorzüglichste, Themen aus der Heimat sowohl inhaltlich als auch musikalisch in seine Musik zu integrieren. Das Fundament ist dabei immer der Jazz, jedoch finden sich hier und da auch schon mal Afrobeat oder Highlife Rhythmen. So geht es z.B. in Sok Chen um eine Suppe, die in Kamerun traditionell frisch Verheirateten als Afrodisiakum serviert wird. Solche Stücke spielen auch die Lebensfreude in Ngassas Musik wider, die aber auch ernstere Themen nicht außen vor lässt, so geht es im traurigen Praise for twins um eine Mutter, die ihre neugeborenen Zwillinge aussetzt. Musikalisch umgesetzt mit exzellenten Soli an Trompete von Ngassa selbst und Altsaxofon, u.a. gespielt von Maxim Begun, der auch zum Live Quintett gehört.

Ngassalogy Vol. 1 ist ein ausgezeichnetes Debüt geworden und lässt hoffen, dass noch viele Alben folgen werden, dann aber bitte mit besseren Coverfotos.

(Konnex Records / 2008)

Montag, 17. März 2008

Somi - Red Soil In My Eyes

Die in Illinois geborene Diplomatentochter mit Wurzeln in Uganda und Ruanda erlebte dank der Beschäftigung der Eltern bei der WHO viele Ortswechsel und lernte somit bereits in jungen Jahren eine breite Palette an Kulturen und Musiktraditionen kennen. Sie lebte in Sambia, Kenia und Tansania und feierte erste Erfolge am African Globe Theater, ehe sie nach New York zog um u.a mit Roy Hargrove oder Lionel Loueke zu arbeiten. Sie nahm am Projekt "HipHop for Respect" teil und engagierte sich somit gegen die Brutalität amerikanischer Polizisten. Dank dieses Engagements verschaffte sie sich eine größere Aufmerksamkeit als Sängerin und stand u.a bei einer Neujahrsfeier des Blue Note Jazz Clubs zusammen mit Cassandra Wilson auf der Bühne und ging auf eine Konzerttour, die sie durch 15 afrikanische Länder führte. Ganz nebenbei schloss sie auch noch ein Kunststudium ab. Im Jahr 2003 erschien schließlich ihr Debütalbum Eternal Motive.

Ihre Musik bezeichnet sie selbst als "Holistic New African Soul-Jazz", und wenn man sich ihr aktuelles und zweites Album Red soil in my eyes anhört wird man feststellen, dass diese Beschreibung sehr treffend ist. Dabei überzeugt sie nicht nur mit ihrer facettenreichen Stimme sondern auch mit der musikalischen Umsetzung basierend auf Jazz kombiniert mit jeder Menge Soul. Mit Ausnahme von eine paar Percussion verzichtet sie zwar auf den Einsatz traditioneller Instrumente, dennoch verfügt das Album über jede Menge afrikanischem Kolorit. Am Anfang steht das eingängige Ingele, das mit seiner einprägsamen Melodie durchaus Popqualitäten besitzt. Das balladeske Circles überzeugt dagegen mit wundersamen Chorgesang während Quietly durch den Einsatz von Streichern orientalisches Flair verbreitet. Das atmosphärische Titelstück beschreibt die Schönheit ihrer eigentlichen Heimat in Ostafrika, den Nil, die grünen Savannen und natürlich die rote Erde aber auch den Schmerz über die Geschehnisse in der jüngeren Vergangenheit. Ein weiteres Highlight ist das Zentral gelegene African Lady, ein Afrobeat Stück, das im Refrain ausgerechnet Fela Kutis Lady zitiert, einem Stück, das u.a. dafür verantwortlich ist, das Fela des öfteren ein Machoimage und Chauvinismus vorgeworfen wurde. Ohne an dieser Stelle genauer auf die Vorlage einzugehen, führt Somi den Text auf ihre ganz eigene Art und Weise weiter, indem sie die afrikanischen Männer dazu auffordert, ihre Frauen gefälligst auch wie Ladys bzw. Königinnen zu behandeln.
Ganz am Ende des Albums steht schließlich das gespenstische Remembrance, ein musikalisches Mahnmal, das den Völkermord in Ruanda zum Thema hat und sowohl den Opfern als auch den Überlebenden gewidmet ist.

Auf die Frage, was für sie, die viel herumgekommen ist, eigentlich Heimat ist, antwortete Somi weise: "Ich gehe nach Hause, wenn ich singe.". Bleibt zu hoffen, dass Somi noch sehr oft nach Hause gehen wird, denn Red soil in my eyes ist ein exzellentes Album geworden.

(World Village / 2007)

Montag, 10. März 2008

Toumani Diabaté - The Mandé Variations

Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wieviel Afrika und im speziellen Falle Mali in einem Album stecken kann, muss man sich nur dieses neue Werk von Toumani Diabaté anhören. Mehr geht nicht, und verrückterweise schafft er das mit einem einzigen Instrument, nämlich der Kora, dem sogenannten Königsinstrument in Westafrika. Nach diversen Zusammenarbeiten mit Musikern wie z.B. Roswell Rudd, Taj Mahal, Ali Farka Touré oder auch seinem Symmetric Orchestra ist dieses neue Album wieder ein Solowerk, sein zweites und ganz im Stil seines 1987 erschienen Debüts Kaira.

Auch The Mandé Variations wurde quasi live im Studio eingespielt und nicht nachträglich mit Overdubs versehen. Nicht umsonst gilt Diabaté als weltbester Koraspieler und einmal mehr verzaubert er durch sein Spiel, bei dem man immer wieder überrascht feststellen muss, dass hier tatsächlich nur ein Musiker am Werk ist obwohl es nach zwei oder gar drei Koras klingt. Neben der klassischen Kora spielt Diabaté die Hälfte der Stücke mit der ägyptisch gestimmten "Machine Head" Kora, die zusätzlich orientalisches Flair mit einbringt, was auch gleich beim ersten Stück Si Naani zu hören ist, welches dem früheren malischen Außenminister und Diabaté Fan Moctar Ouane gewidmet ist. Die Eigenkomposition basiert auf 2 unterschiedlichen Stücken aus unterschiedliche Regionen Malis. So ist der erste Teil eine Variation eines alten Liebesliedes der Griottradition aus dem Nordwesten Malis während der zweite Teil auf einem einem Griotstück der Fula aus Zentralmali basiert. Schon dieses eine Stück reicht völlig aus, um sich von Diabatés Koraspiel vereinnahmen zu lassen, das einmal mehr dahingehend beeindruckt, dass ein einziger Musiker hier Melodie, Begleitung und Bass gleichzeitig und mit nahezu selbstverständlicher Leichtigkeit spielt und für einen erdigen und natürlichen Klang sorgt. Eine weitere Eigenkomposition Elyne Road ist erstaunlicherweise von UB 40s Kingston Twon inspiriert, was man ohne den Hinweis im Booklet wohl nur schwer erkennen würde. Tatsächlich hat er dieses Stück erstmals in den späten 80ern in London gehört, wo es in an eine Bamana Redensart erinnerte. Das Stück ist nach der Straße in London benannt, in der er das Stück erstmals für Nick Golds Eltern spielte. Eine weitere Demonstration seiner unvergleichlichen Klasse ist Ali Farka Toure, ein musikalischer Nachruf an den vor zwei Jahren verstorbenen Freund und Unterstützer, das im Studio frei improvisiert wurde. Diese Art des Spiels findet sich auch bei El Nabiyouna, einem Stück, das die Grenzen Malis überschreitet und u.a. Flamenco Flair verbreitet. Kaounding Cissoko ist dagegen eine Variation von Alla L'a ke, einem Stück, das er bereits auf dem Debüt gespielt hatte, hier jedoch deutlich schneller und auf eine fast schon "rockende" Art und Weise. Eine weitere Kaira Variation findets sich im abschließenden Cantelowes, eine Variation des Liebesliedes Jarabi und einmal mehr benannt nach einer Straße in London, wo er für einige Zeit lebte und Musiker wie Youssou N'Dour oder Baaba Maal kennenlernte.

The Mandé Variations ist das erwartete sehr spezielle Album geworden, das natürlich auch den größtmöglichen Gegenpol zu Boulevard de l'Independence darstellt, das aber auch zeigt, was für ein vielfältiger Ausnahmemusiker Toumani Diabaté ist.

(World Circuit / 2008)