70er Jahre Musik aus Nigeria scheint hierzulande in zu sein wie nie
zuvor. Zumindest wurden in letzter Zeit einige hochwertige Sampler zum
Thema veröffentlicht, allen voran das kleine britische Label Soundway
mit seiner
Nigeria Special Reihe. Eine Serie, in der viel
Herzblut steckt und mit der man wohl kaum reich werden kann, vor allem
wenn man bedenkt, wie viele Jahre Arbeit darin stecken. Labelchef Miles
Cleret begab sich für die Arbeit an den Samplern für mehrere Jahre nach
Lagos und Umgebung, um alte Vinylschätze zu bergen, zu restaurieren und
aufzubereiten um sie so für ein westliches Publikum zugänglich zu
machen. Das Ganze wurde wurde dann in aufwändige Artworks verpackt und
mit ausführlichen Linernotes ausgestattet. Mit anderen Worten, es
handelt sich hierbei nicht um Wühltischsampler sondern um hochwertige
Compilations mit hierzulande bislang unveröffentlichten Aufnahmen.
Nigeria Special: Modern Highlife, Afro-Sounds & Nigerian Blues 1970-76 (Soundway)

Der erste Teil, aufgemacht wahlweise als Doppel CD im mehrfach
klappbaren Digipak oder als 2 Doppel LPs, bietet vor allem Highlife,
aber auch Funk und Soul. Das Blues im Titel sollte man nicht so ernst
nehmen, bzw. das was hier als Blues verstanden wird hat nichts mit dem
Desert Blues malischer oder maurischer Prägung zu tun. Dafür gibt es
z.B. Celestine Ukwu mit seiner flirrenden Gitarre, die
afropsychedelische Akzente setzt. Es ist jedoch grundsätzlich schwierig,
hier einzelne Tracks hervorzuheben, denn es handelt sich hier wirklich
um ein Schatzkästchen mit 26 unbekannten Perlen, und man würde sich beim
Hören am liebsten sofort auf den Weg nach Lagos machen, um sich auf die
Suche nach den dazugehörigen Alben zu machen. Einen Vorgeschmack auf
das Rock Special bieten die beiden Bands The Funkees (Igbo) und Mono
Mono (Yoruba), die mit ihrem brodelnden Funk damals in Konkurrenz
zueinander standen. Auch unbedingt erwähnt werden muss hier natürlich
Sir Victor Uwaifo & His Melody Maestros. Uwaifo erschaffte seinen
ganz eigenen Ekassa genannten Stil, eine Weiterentwicklung des Highlife,
angereichert mit Rock'n'Roll und Soul, erwähnenswert auch deshalb, da
von Uwaifo eine Anthologie geplant ist.
Nigeria Discofunk Special: The Sound of the Underground Lagos Dancefloor 1974-79 (Soundway)

Sollte man beim ersten Teil das Wort Blues nicht so ernst nehmen, so ist
dies beim zweiten Teil das Wort Disco. Schwere Afro Funk Grooves prägen
hier das Klangbild, und die haben mit dem was man hierzulande so unter
70er Jahre Disco versteht nichts zu tun. Qualitativ stehen die 9 Tracks
denen des ersten Teils in nichts nach und gleich zu Beginn lassen die
Sahara Allstars of Jos einen Funkbeat über 7 Minuten köcheln, den sie
zusätzlich mit satten Bläsern versehen, aber auch mit flirrenden
Gitarren und tollem Schlagzeugspiel, ein Höllengroove, der sich auf die
folgenden 8 Stücke überträgt.
Nigeria Rock Special: Psychedelic Afro-Rock & Fuzz Funk in 1970s Nigeria (Soundway)

Im vorerst letzten Teil, dem Rock Special, rücken Gitarre und
Schweineorgel in den Vordergrund, während auf das Gebläse verzichtet
wird. Rock in Nigeria hatte seinerzeit nichts mit dem uns bekannten
Riffrock zu tun, denn prägnante Riffs sucht man hier tatsächlich
vergeblich. Rockismen sind also weit und breit nicht in Sicht, denn das
Fundament, auf dem die einzelnen Tracks bauen, ist einmal mehr der Funk,
angereichtert mit bisweilen extrem verzerrten Gitarren und natürlich
jeder Menge Percussion, die für das nötige Afroflair sorgen. Auch hier
ist es natürlich schwierig, einzelne Tracks hervorzuheben, dennoch
möchte ich einfach mal die beiden Igbo Bands The Wings, die natürlich
nichts mit Paul McCartneys Wings zu tun hatten und sich später in The
Original Wings umbenannten, die hier auch vertreten sind, und Ofo The
Black Company erwähnen. Erstere interpretieren einen alten Igbo Folksong
mit einer eingängigen Melodie, die durchaus Popqualitäten aufweist
während letztere auf schwere Funkgrooves setzten.
Nigeria 70 - Lagos Jump: Original Heavyweight Afrobeat, Highlife & Afrofunk (Strut)
Aber nicht nur bei Soundway weiß man nigerianische Musik zu schätzen,
auch Strut veröffentlichten dieser Tage die Fortsetzung des bereist vor
ein paar Jahren veröffentlichten Nigeria 70 Samplers, dieses mal unter
dem Titel
Nigeria 70: Lagos Jump und im Prinzip finden sich alle
Facetten der Nigeria Special Alben hier auf einer CD wieder, aber
natürlich mit anderen, ebenfalls hierzulande unveröffentlichten Titeln.
Auch was Aufmachung und Ausstattung angeht, lässt man sich im Hause
Strut nicht lumpen und somit ist
Lagos Jump genauso essentiell wie die Sampler der Konkurrenz von Soundway.
Insgesamt 66 Tracks bieten die hier vorgestellten CDs und zeigen, dass
Nigeria auch neben Fela Kuti und Co eine durch und durch großartige
Musikszene vorzuweisen hat, der es auf das Vorzüglichste gelingt,
westliche Einflüsse zu ganz eigenen Stilen zu entwickeln und völlig
eigen und originär erklingen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass neben
Uwaifo noch andere Künstler näher beleuchtet werden, verdient hätten es
alle.
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