Tchamantché ist für mich mit Sicherheit das mit am meisten Spannung  erwartete Album des Jahres. Bereits Ende letzten Jahres schon  angekündigt und im Frühjahr in Frankreich veröffentlicht, musste ich  mich dann doch bis zum September dieses Jahres gedulden, bis eine  englische Version veröffentlicht wurde. Dies ist insofern wichtig, da  bei einer französischen Ausgabe vermutlich auf die Übersetzung der Texte  oder Linernotes ins Englische verzichtet wird. 
5 Jahre liegen zwischen Tchamantché und Bowmboï, dem  letzten Studioalbum aus dem Jahr 2003. Hauptgrund für die lange  Wartezeit ist sicher die Tatsache, das Rokia Traoré in der Zwischenzeit  Mutter geworden ist. Nichtsdestotrotz hat sich die lange Wartezeit  gelohnt, so führt Tchamantche das Werk konsequent fort und setzt  neue Akzente ohne sich dabei allzusehr vom bisherigen Stil zu entfernen.  Dies ist insofern wichtig zu erwähnen, als dass hier zum ersten mal  eine E-Gitarre zu hören ist. Rokia Traoré hat sich eine alte Gretsch  Gitarre zugelegt und im Vorfeld wurden Vermutungen laut, dass das neue  Album deutlich blueslastiger werden würde. Tatsächlich wurden die  musikalischen Koordinaten aber nicht weiter westlich ans Ufer des  Mississippi gelegt. Die Musik atmet weiterhin den Geist des Niger, die  Gitarre sorgt allerdings für eine mehr als interessante neue Nuance und  fügt sich perfekt ins musikalische Konzept ein. Dies wird schon im  ersten Stück Dounia deutlich, ein Bild von einem Afrika, wie es  sein sollte aber nicht ist, das nur mit Gitarre und Gesang beginnt. Eine  Liveversion davon konnte man sich im Vorfeld auf ihrer Homepage  anschauen und schon damals bin ich vor Ehrfurcht in die Knie gegangen  und beim ersten Hören der Albumversion stellte sich spontan ein Déjà Vu  Erlebnis ein. Nach 3 Minuten gesellen sich zur Gitarre Ngoni und  Percussion und man stellt zusätzlich fest, das Rokias Stimme kräftiger  geworden ist. Weit weniger dramatisch aber nicht minder eindringlich ist  das folgende Dianfa, das von Vertauen und der Angst vor Verrat  handelt. Mit einer einfachen Gitarrenmelodie gelingt es ihr, eine  einzigartige Atmosphäre herzustellen, die sich auf das gesamte Album  ausbreitet. Noch minimalistischer kommt das in französischer Sprache  gesungene Zen daher, das sie mit ungewohnt verführerischer Stimme  singt und bei dem sie u.a. von einer Human Beatbox begleitet wird. Es  ist übrigens das erste mal, dass sie auf einem Album ein Stück nicht auf  Bambara singt. Auch das Liebeslied Aimer hat einen französischen Text. Im rhythmischen Tounka,  das vom Reichtum Afrikas handelt, der jedoch nur zu Krieg und Leid  führt, wirkt sie fast schon ein bisschen wütend, was aufgrund der  Thematik nicht weiter verwundert. Ein weiteres Novum auf diesem Album  ist das Einbringen einer Coverversion. Mit gefühlvoller Stimme singt sie  die Gershwin Komposition The Man I Love, eine Ode an die große  Billie Holiday, verlegt an den Niger. Nicht nur wegen dem Einsatz der  Ngoni sondern auch deshalb, da das Stück am Ende um eine Bambara Strophe  erweitert wurde. Das Album endet mit A Ou Ni Sou, bei dem sie  lediglich von einer Art Steeldrum begleitet wird, und mehr braucht es am  Ende auch nicht, um diese wunderbare Stimme zu begleiten.
Tchamantché ist übrigens dem im letzten Jahr verstorbenen Ali  Farka Toure gewidmet, der zu Lebzeiten große Stücke auf Rokia Traoré  hielt. Und vor dessen besten Alben muss sich Tchamantché nicht im Geringsten verstecken. Album des Jahres? Mindestens!
(Out|Here / 2008)
Montag, 20. Oktober 2008
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